Mettmann. Die Kreisstadt macht Schlagzeilen mit der Traglufthalle. Im April begannen die ersten Arbeiten für den Komplex auf dem Bolzplatz der Sportanlage „Auf dem Pfennig“. Eingezogen ist dort jedoch bislang niemand.
Der Bau sollte als Flüchtlingsunterkunft dienen – das zumindest war der Plan, den der Rat vor Ostern beschlossen hatte. Platz für 200 Geflüchtete aus der Ukraine wäre dort gewesen. Die Kosten allein für die Miete hatte man mit etwas über einer Million Euro bei einer Mindestdauer von einem Jahr angegeben.
Die Traglufthalle ist in der Kreisstadt demnach als Entlastung geplant gewesen. Letztendlich wurde sie das Gegenteil. Ende November war noch immer kein Geflüchteter eingezogen, die Stadt kündigte den Vertrag mit dem Unternehmen Paranet. Zuvor hatte die Verwaltung der Berliner Firma eigenen Angaben zufolge eine „letzte Frist zur Nachbesserung von Mängeln“ gewährt. Das ungenutzte Hallenwerk stand auf dem Bolzplatz, auch ein Abbau war nicht möglich. Denn: Paranet hatte zwischenzeitlich beim Landgericht Berlin ein Beweissicherungsverfahren beantragt. In der Folge musste die Traglufthalle aus Beweissicherungsgründen aufgebaut bleiben. Auch die Stadtverwaltung hatte ihrerseits Anwälte mit dem Fall betraut.
Nicht bloß der Ärger um die Traglufthalle selbst war ein Problem, auch die Unterbringungssituation für die stetig steigende Zahl von aus der Ukraine Flüchtenden war eines. Ende November meldete die Stadt, die Kapazitäten seien so gut wie ausgeschöpft. Neuer Wohnraum muss her – Bürgerinnen und Bürger sollten einem Appell von Mettmanns Bürgermeisterin Sandra Pietschmann zufolge freie Räume zur Verfügung zu stellen.
Gasladung, Einladung, Ausladung
Jüngst nahm die Causa Traglufthalle nahezu absurde Züge an. Das Unternehmen Paranet wies die Vorwürfe der Stadt Mettmann zurück. „Unsere Traglufthalle in Mettmann ist voll funktionsfähig“, so der Paranet-Chef Jürgen Wowra. Die Halle erfülle demnach alle Anforderungen für die Unterbringung von Menschen.
Die Traglufthalle sei gut ausgestattet, erklärte Wowra. Vor allem aber sei sie heizbar, meint der Paranet-Geschäftsführer. Unter anderem das war – neben dem Vorwurf einer unzureichenden Kühlung im Sommer – ein Streitpunkt. „Wenn die Stadt Mettmann jetzt wie berichtet Unterkünfte für Geflüchtete sucht, dann steht die Halle zur Verfügung“, so Wowra.
Paranet gab an, man habe einen Gas-Tank auf eigene Kosten befüllen lassen. Dies sei auch erforderlich gewesen, um zu verhindern, dass an der unbeheizten Halle bei möglichem Schneefall keine Schäden eintreten. „Die tatsächliche Beheizbarkeit der Halle kann jederzeit vorgeführt werden“, erklärt Jürgen Wowra. Zu einer Besichtigung lud das Unternehmen letztendlich auch ein. Die Mettmanner Stadtverwaltung reagierte und lud wieder aus: „Das Besitzrecht an der Halle liegt allein bei der Stadt Mettmann und nicht bei Paranet“, hieß es unter anderem aus dem Rathaus.
Und: Die Stadt Mettmann befinde sich derzeit in einem gerichtlichen Verfahren gegen das Berliner Unternehmen, dessen Gegenstand die Überprüfung der Tauglichkeit der Traglufthalle zur Unterbringung von Geflüchteten sei.
„In diesem rechtsförmigen Verfahren wird auf der Grundlage wissenschaftlicher Methoden durch öffentlich bestellte Sachverständige zuverlässig geklärt, ob die Halle den mietvertraglichen Anforderungen genügt oder nicht“, erklärte die Stadtverwaltung am 8. Dezember. Die Stadtverwaltung stellte zu dem klar, man bestreite nicht, dass die Traglufthalle zu einem bestimmten Zeitpunkt tagsüber bewohnbar sein mag – und zwar „in Abhängigkeit von den in diesem Zeitpunkt zufällig herrschenden Außentemperaturen“. Allerdings bestreitet man unter Verweis auf ein Gutachten, dass die Halle „jederzeit bewohnbar ist“.
Die Mettmanner Verwaltung war Paranet „Wild-West-Methoden“ vor, mit denen das Unternehmen das schwebende Gerichtsverfahren unterlaufen wolle.
Die Antwort von Paranet kam postwendend. Ein angehängtes TÜV-Gutachten bescheinigte Temperaturmessungen bei 4 Grad Außentemperatur vom 7. Dezember: Zwischen 24,4 und 26,6 Grad warm war es an verschiedenen Messpunkten in der Halle. Eine Diplom-Ingenieurin hatte die Maßnahme durchgeführt. Geschäftsführer Wowra meldete sich erneut zu Wort, bekundete seinen Unmut: „Wir wollten der Öffentlichkeit in Mettmann vorführen, dass sich die im Auftrag der Stadt errichtete Traglufthalle bestens zur vorübergehenden Unterbringung von geflüchteten Menschen eignet. Es ist unverständlich, warum die Stadt die Begehung nicht zulässt und sich auf ein Besitzrecht beruft.“
Damit nicht genug: Der Rechtsanwalt von Paranet bestritt nun sogar das Besitzrecht der Stadt. Immerhin hätte die Verwaltung „den Mietvertrag fristlos gekündigt und trotz Mahnung für die vergangenen drei Monate keine Miete mehr gezahlt“.
Paranet zog die von der Stadt Mettmann bereits zurückgezogene Einladung ebenfalls zurück. Auch das Unternehmen lud also wieder aus.
Paranet wies überdies die Aussage der Stadt Mettmann, die dauerhafte Nichtbewohnbarkeit sei „gutachterlich bestätigt“, zurück. Mettmann habe gar kein Gutachten beauftragt, so der Paranet-Rechtsanwalt: Man habe lediglich einen bedeutungslosen Erläuterungsbericht vorgelegt. „Dieser wurde durch ein lokales Unternehmen erstellt. Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger ist nicht beauftragt worden“, so die Einschätzung des Rechtanwalts Michael Holz.
Über die Spitzfindigkeiten werden nun vermutlich Richter entscheiden. Die Traglufthalle beschäftigt damit mindestens ein Berliner Unternehmen, die Stadt Mettmann, die Lokalpolitik, die Justiz und letztendlich auch die Mettmanner Bürgerinnen und Bürger. Letztere diskutieren wiederkehrend vor allem in den Sozialen Medien über den Fall. Die Halle steht immer noch. Und sie steht leer.