Mettmanns Bürgermeisterin Sandra Pietschmann. Foto: Volkmann
Mettmanns Bürgermeisterin Sandra Pietschmann. Foto: Volkmann

Mettmann. Vor den abschließenden Beratungen zum Haushalt 2023, der in der Ratssitzung am 28. März verabschiedet werden soll, hat Bürgermeisterin Sandra Pietschmann im Haupt- und Finanzausschuss noch einmal die schwierige Haushaltslage der Stadt skizziert und auf die Risikopotenziale im Haushaltsentwurf hingewiesen.

„Was ist uns unsere Stadt wert? Wie wollen wir unser Gemeinwohl finanzieren? Verursacher- oder Solidarprinzip? Wir alle sind in Verantwortung“, sagte Bürgermeisterin Pietschmann. In den nächsten zehn Jahren stehen pflichtige Investitionen mit einem Gesamtvolumen von rund 180 Millionen Euro an, die von einer großen Ratsmehrheit getragen und teilweise auch schon beschlossen sind: Neuordnung der Schullandschaft, eine neue Feuer- und Rettungswache, Sanierung von Straßen und Kanälen, Sanierung des Hallenbads, die Modernisierung des Baubetriebshofs, neue Kitas.

Nicht zu vergessen Investitionen in das Energiemanagement und die Klimaresilienz unserer Stadt, die immer drängender werden. Der Verwaltung ist mehr als bewusst, dass jede Mehrbelastung der Bürger aktuell sehr kritisch betrachtet werden muss. Aus vielfältigen Gründen empfiehlt sie dem Rat jedoch, dem Verwaltungsvorschlag einer moderaten Anpassung der Grundsteuer zu folgen. Die Erhöhung der Grundsteuer um 50 Punkte bedeutet für einen Haushalt mit einer Wohnfläche von 50 qm eine Mehrbelastung von rund zwei Euro pro Monat, bei 80 Quadratmeter von
circa drei Euro. Das würden Mehreinnahmen für den städtischen Haushalt in
Höhe von 850.000 Euro bedeuten.

Dies decke rechnerisch zum Beispiel das Defizit der freiwilligen Aufgabe der Musikschule und in Teilen der Bibliothek. „Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern vermitteln, dass sie mit der Grundsteuer direkt in ihre Stadt investieren. Dass hier einiges zu tun ist, ist für alle deutlich sichtbar“, so die Bürgermeisterin.

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist zu viel liegen geblieben und führt nun zu dem bekannten und sichtbaren Investitionsstau, „den wir jetzt alle irgendwie und auf einmal abarbeiten müssen“.

Auf der anderen Seite gibt es ab 2023 auch eine finanzielle Entlastung der Bürger. Durch die Änderung der Gesetzesgrundlage bei den Gebührenberechnungen werden private Haushalte und Unternehmen um 1,6 Millionen Euro entlastet. Dieses Geld belastet im Gegenzug den städtischen Haushalt um eben diese Summe. Mit der geplanten Steuererhöhung steht für private Haushalte und Unternehmen unterm
Strich eine Entlastung von 750.000 Euro.

Bürgermeisterin Pietschmann führte weiter aus, dass es im Haushalt einige Risikofaktoren gebe: die aktuellen Tarifverhandlungen für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, die optimistische Veranschlagung der Gewerbesteuererträge, das Zinsrisiko, eine eventuelle Erhöhung der Umlage für den ÖPNV sowie das im Rahmen der Krisen gebildete Sondervermögen (gesetzliche Grundlage: CUIG NRW) mit erheblichem Ausmaß.

Schon seit Jahren sei es der Stadt nicht mehr möglich gewesen, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Kämmerin Traumann: „In den vergangenen zehn Jahren haben wir unser Eigenkapital um rund 50 Millionen Euro aufgezehrt, ist der Schuldenberg bei den Liquiditätskrediten um fast die gleiche Summe angewachsen.“ Trotz der defizitären Haushalte seien die Bürger in dieser Zeit nicht in größerem Umfang an der vollständigen Finanzierung der Stadt beteiligt worden. Die Steuern blieben fast unverändert. Dies ging zu Lasten der städtischen Substanz. Städtisches Eigenkapital wurde verbraucht.

Gleichzeitig und trotzdem wurden viele wichtige Aufgaben vernachlässigt. „Es ist wichtig, den Bürgern klar und unverblümt darzustellen, dass ein „weiter so“, nicht möglich ist. Auch wenn es schmerzhaft ist. Die Verantwortlichen müssten sich grundsätzlich entscheiden, ob sie weiterhin größtmögliche Defizite beplanen und sich damit an der Grenze zur Haushaltssicherung befinden, oder ob sie sich entsprechend der Vorgabe in der Gemeindeordnung NRW in Richtung einer schwarzen Null bewegen möchten, um den Eigenkapitalverbrauch wenigstens zu verlangsamen. Dies würde übrigens auch in einem Konzept zur Haushaltssicherung verlangt werden. Konkrete Forderung im Haushaltssicherungskonzept: ausgeglichener Haushalt in 10 Jahren.

Dem Vorwurf aus der Bürgerschaft, aber auch aus Teilen der Politik, dass es sich die Verwaltung zu einfach mache, wenn sie sich für Steuererhöhungen ausspreche, widersprach Bürgermeisterin Pietschmann energisch.

„Unser Haushalt wurde extern durchleuchtet, der Rat hat im November 2022 über die Maßnahmen beschlossen. Wir haben die Organisationsstruktur der Verwaltung untersuchen lassen. Der Stellenplan ist angemessen und bietet keinen Spielraum für Einsparungen in Verbindung mit dem jetzigen Aufgabenprofil unserer Stadt. Und wir haben die freiwilligen Leistungen auf den Prüfstand gestellt. Aktuell möchte der Rat jedoch an den großen freiwilligen Bausteinen, die unsere Stadt auch im positiven und lebenswerten Sinne ausmachen, wie z.B. die Musikschule, die Bibliothek und auch das Naturfreibad, festhalten. An kleineren Stellschrauben wird gedreht. Weitere Maßnahmen wie der Aufbau des Fördermittelmanagements oder die Intensivierung des Flächenmanagements sind in Umsetzung. Der größte Verursacher der Haushaltsschieflage ist allerdings das strukturelle Defizit, das durch Bundes- und Landesgesetzgebung entstanden ist und noch weiterwächst. Das Konnexitätsprinzip, „wer bestellt, der zahlt“, werde bei vielen Aufgabenübertragungen von Bund und
Land auf die Städte nicht eingehalten.

Allein im Bereich der Kindertagesbetreuung beträgt das strukturelle Defizit aktuell 13 Millionen Euro. Deshalb wird Bürgermeisterin Pietschmann das Gespräch mit Abgeordneten auf Landes- und Bundesebene suchen und auf die gravierenden finanziellen Probleme hinweisen. „Nur mit einer strukturellen Reform der Kommunalfinanzen werden wir das Problem – wie auch viele andere Städte – in den Griff bekommen. Alleine werden wir das nicht schaffen. Doch nur auf Hilfe von Dritten zu warten, ist kein guter Weg. Wir sollten unsere Verantwortung wahrnehmen.“

Bund der Steuerzahler NRW: „Bei Schulden und Steuern Maß halten“

Mit Blick auf die erheblichen Risiken appelliert der Bund der Steuerzahler (BdSt) NRW an den Rat der Stadt Mettmann, dem Haushaltsentwurf 2023 nicht zuzustimmen: „Bevor die Ratsmitglieder ihn beschließen, muss die Stadt für die geplanten Großinvestitionen aussagekräftige Wirtschaftlichkeitsberechnungen erstellen, gerade mit Blick auf die jetzt bekannt gewordenen massiven Baukostensteigerungen. Die Investitionen sind ggf. neu zu bewerten und Prioritäten zu setzen. Sonst läuft der Haushalt vollends aus dem Ruder. Statt wie aktuell gut 96 Millionen Euro würden ohne Änderungen am Etat am Jahresende 2026 rekordverdächtige 214 Millionen Euro Schulden die Stadtkasse der rund 40.000 Einwohner belasten. Dreh- und Angelpunkt der unumgänglichen Etatsanierung sind die städtischen Baumaßnahmen.

Allein in den Jahren 2023 bis 2026 sind 171 Millionen Euro für Investitionen vorgesehen. Der BdSt NRW bezweifelt, dass mit Blick auf die Engpässe in der Mettmanner Stadtverwaltung, die immer noch unterbrochenen Lieferketten und die Vollauslastung der Bauwirtschaft Investitionen in dieser Größenordnung überhaupt abgewickelt werden können. Deshalb muss die Stadt ihre Planungen reduzieren und die Bauausgaben den tatsächlichen Verhältnissen anpassen. In der Folge ist der Kreditbedarf zu reduzieren, sind die Zinslasten zu senken und die wichtigsten Stellgrößen des Etatentwurfs neu zu rechnen. Angepasste Bauausgaben machen es zudem möglich, auf die vorgesehene Steuererhöhung zu verzichten und weitere Belastungen der Bürger zu vermeiden.“