Familienangehörige von Menschen, die in dem Konzentrationslager in Brauweiler inhaftiert waren, waren ebenfalls zur Eröffnung von zum Teil weither angereist. Foto: Alexandra Stiens / LVR-ZMB
Familienangehörige von Menschen, die in dem Konzentrationslager in Brauweiler inhaftiert waren, waren ebenfalls zur Eröffnung von zum Teil weither angereist. Foto: Alexandra Stiens / LVR-ZMB

Brauweiler. Im Beisein von über 160 geladenen Gästen haben am Freitagabend Anne Henk-Hollstein, Vorsitzende der Landschaftsversammlung Rheinland, und LVR-Direktorin Ulrike Lubek, die neu gestaltete Gedenkstätte auf dem Gelände des LVR-Kulturzentrums Brauweiler eröffnet.

Unter den Gästen war auch Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, die sich einen Eindruck verschaffte von dem Ort, der die Geschehnisse der Jahre 1933 bis 1945 in der ehemaligen Arbeitsanstalt Brauweiler dokumentiert. Zugleich ist die Stätte dem Gedenken an die vielen Opfer des Regimes während der Zeit des Nationalsozialismus in Brauweiler gewidmet. Die Eröffnung bettete sich ein in die Feierlichkeiten zum 1000-jährigen Bestehen der Abtei Brauweiler.

„Der 1953 gegründete LVR übernahm in vielen Bereichen die Nachfolge der Rheinischen Provinzialverwaltung des 19. Jahrhunderts. Es ist unsere historische Verantwortung, gleichsam unsere besondere Verpflichtung, die LVR-Geschichte und die der Rheinprovinz vorbehaltlos aufzuarbeiten, auch um diese zu verarbeiten. Verarbeiten heißt dabei nicht nur Geschehenes zu dokumentieren, sondern vielmehr das Unfassbare sowie menschenunwürdige Zustände sichtbar zu machen und in unserem kollektiven Gedächtnis zu verankern, damit stets Menschlichkeit als kategorischer Imperativ, Aufklärung und kritische Selbstreflexion unser Handeln bestimmen. Erinnerung in diesem Sinne ist somit auch ein Beitrag zur Sensibilisierung und Prävention gegen die vielerorts aufkeimenden rechtsextremen und nicht selten menschenverachtenden Positionen“, so LVR-Direktorin Ulrike Lubek. Persönliche Worte richtete Ulrike Lubek an die Angehörigen von ehemals in Brauweiler inhaftierten Menschen: „An jenen Ort zu reisen, an dem Ihre Familienmitglieder mit den Schrecken und der Brutalität des NS-Staates konfrontiert waren, muss Ihnen schwergefallen sein. Angesichts dessen berührt es uns umso mehr, dass Sie den Weg zum Teil von weither auf sich genommen haben. Dafür bedanke mich bei Ihnen voller Respekt.“

Gedenkstätte als „ein Stück Erinnerungskultur“

Anne Henk-Hollstein hob hervor: „Über 150 Jahre lang war das Abteigelände ein Ort der Ausgrenzung und Diskriminierung, des Wegsperrens und der Ausbeutung. Mit ihrer Arbeit verantwortet die Gedenkstätte Brauweiler – übrigens auch als Mitglied im Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte NRW sowie in der Arbeitsgemeinschaft frühe Konzentrationslager – ein Stück Erinnerungskultur. Sie leistet damit einen Beitrag zur Demokratiebildung und zur Stärkung unserer freiheitlichen, pluralistischen und demokratischen Grundordnung. Innehalten und Bewusstmachen sind neben der historischen Dokumentation und der Bildungsarbeit zentrale Anliegen der Gedenkstätte. Die Hoffnung auf ein ‚Nie wieder‘ ist es, die die Gedenkstätten-Arbeit in Brauweiler mit der Forschung zur Geschichte und Kultur des Rheinlandes verbindet. Wo, wenn nicht hier, können wir ansetzen, um ein friedliches Miteinander zu befördern? Die Landschaftsversammlung Rheinland begleitet die Entwicklung der Gedenkstätte seit der Gründung mit großer Aufmerksamkeit. So hat sie vor zwei Jahren den Beschluss gefasst, die Gedenkstätte deutlich zu erweitern und das Angebot auszubauen. Wir wissen, dass der Ort selbst und die Menschen, die hier zusammenkommen, die Forschung und die Vermittlung zur NS-Geschichte nicht nur erweitern, sondern enorm bereichern. Vielleicht war ihr Besuch nie wichtiger als heute.“

Die Bedeutung des Themas Erinnerungskultur im Kontext der gegenwärtigen politischen Situation hob Ina Brandes, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, hervor. „Die aktuellen antisemitischen und fremdenfeindlichen Vorfälle machen auf bedrückende Weise deutlich, wie wichtig die Arbeit der NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Nordrhein-Westfalen ist. Das Land unterstützt diese wichtige Arbeit seit vielen Jahren. Und ich freue mich, dass wir mit der finanziellen Förderung durch die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen nun einen Beitrag zur Neugestaltung der Gedenkstätte Brauweiler leisten können.“

„Doch vergangen ist es erst, wenn man es vergisst“

„Doch vergangen ist es erst, wenn man es vergisst“: Mit Poetry Slam über den Ort der Gedenkstätte Brauweiler und die Erinnerungskultur unterstrich „Poesiematrosin“ Veronica Scholz die Eröffnung.

Die anschließende Gesprächsrunde moderierte Dr. Mark Steinert, Leiter des LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrums, zu dem auch die Gedenkstätte Brauweiler gehört. Darin ging Prof. Dr. Alfons Kenkmann, langjähriger Vorsitzender des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW, auf die Zwangseinweisung und gewalthafte Unterbringung junger Edelweißpiratinnen und -piraten in der Arbeitsanstalt ein. Der Eigensinn und die Solidarität unter den Jugendlichen trafen hier auf die rigiden Maßnahmen zur Disziplinierung durch Akteure der Fürsorgeerziehung und der Gestapo. „Die Beschäftigung mit den Lebensgeschichten Jugendlicher in den 1940er Jahren gibt“, so Kenkmann, „den Jugendlichen heute Orientierung bei ihrem Lauf in die Welt“.

An die bekanntesten Gefangenen in Brauweiler erinnerte Dr. Corinna Franz, LVR-Dezernentin für Kultur und Landschaftliche Kulturpflege: „Konrad und Gussie Adenauer waren 1944 hier inhaftiert. Gussie erholte sich nie von den Folgen ihres Selbstmordversuchs während der Haft und verstarb 1948 im Alter von nur 52 Jahren. Ihr Schicksal steht stellvertretend. Auch wenn in Brauweiler nur wenige Menschen ermordet wurden, starben dennoch viele an den Folgen ihrer Gefangenschaft oder zerbrachen an den Misshandlungen. Konrad Adenauer entging der Folter, doch das Miterleben prägte den späteren Bundeskanzler tief.“

Dr. Christine Hartmann, seit 2008 für die Gedenkstätte zuständig und Projektleiterin der neuen Dauerausstellung, erläuterte die wesentlichen Aspekte der Neukonzeption, Neugestaltung und räumlichen Erweiterung. Für die Gestaltung zeichnet die Bremer Ausstellungsagentur GfG / Gruppe für Gestaltung gemeinsam mit dem Grafikbüro oblik identity design, ebenfalls aus Bremen, verantwortlich. Dass die historischen Räumlichkeiten mit ihrer Geschichte ein wichtiges Thema sind, wird auch durch die Ausstellungsarchitektur deutlich. Sie setzt auf rahmende Elemente, die sich als Leitmotiv durch das Gestaltungskonzept ziehen. So wurden zum Beispiel einige der gefundenen Inschriften oder Freilegungen alter Renovierungsschichten – oft mit bloßem Auge schwer erkennbar – mit einer Rahmung hervorgehoben.

Begleitet wird die durchgängig zweisprachige Ausstellung (Deutsch/Englisch) durch verschiedene inklusive Angebote: Über das eigene Smartphone lassen sich vor Ort Passagen aus Interviews mit Zeit- und Zweitzeugen abrufen. Eine möglichst barrierefreie Vermittlung wird mit der Übersetzung in Deutsche Gebärdensprache auf dem Smartphone sichergestellt. Menschen mit Sehschwäche können sich die Ausstellungstexte vorlesen lassen. Der Mediaguide bietet darüber hinaus die Texte in Polnisch und Französisch an.

Neben der inhaltlichen und gestalterischen Neuausrichtung wurde in den vergangenen zwei Jahren seitens des LVR-Gebäude- und Liegenschaftsmanagements die bauliche Sanierung und barrierefreie Erschließung der Gedenkstätte realisiert. In der Vergangenheit war die Gedenkstätte lediglich über eine Treppe erreichbar. Nun wurde der Aufzug, der bisher nur die oberen Stockwerke erschloss, ins Kellergeschoss verlängert. Erstmals haben nun Besucher im Rollstuhl die Möglichkeit, die Gedenkstätte zu besuchen. Hierfür wurden Türen verbreitert und Fluchtwege barrierefrei angelegt, soweit es die denkmalgeschützte historische Bausubstanz des Gebäudes zuließ. Zusammen mit der neuen Dauerausstellung „Achtung Ausgrenzung“ wurde auch die erste Wechselausstellung in den ehemaligen Waschräumen eingeweiht. Die Schüler einer KulTourKlasse des Abtei-Gymnasiums Brauweiler haben Kunstwerke geschaffen, die aktuelle Formen von Ausgrenzung und Diskriminierung thematisieren.

Die Neugestaltung der Gedenkstätte Brauweiler ist durch die großzügige finanzielle Förderung der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen möglich. Ebenso bezuschusste die LVR-Museumsförderung die Personalkosten.

Zur Eröffnung der Gedenkstätte ist eine begleitende Katalogbroschüre erschienen, die für 5 Euro im Abteishop erhältlich ist. Die Gedenkstätte Brauweiler des LVR ist ab 7. Juni täglich außer montags von 9 bis 17 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet (Weihnachten und an den Karnevalstagen geschlossen).