Düsseldorf. Die IHK Düsseldorf, die IHK Mittlerer Niederrhein sowie die Neuss-Düsseldorfer Häfen GmbH & Co. KG (NDH) fordern einen tiefgreifenden Kurswechsel bei der Planung und Genehmigung von Ersatzneubauten zentraler Rhein-Brücken.
Konkret plädieren die drei Partner für deutlich schnellere Verfahren, eine praxisgerechte Vergabe – und die Einrichtung eines spezialisierten Infrastruktursenats am Oberverwaltungsgericht Münster.
Wie dringend dieser Kurswechsel ist, zeigt das Beispiel der Josef-Kardinal-Frings-Brücke, die Düsseldorf und Neuss verbindet und als eine der zentralen Wirtschaftsachsen der Region gilt. Jährlich verursacht ihre Ablastung volkswirtschaftliche Schäden in Höhe von rund 45 Millionen Euro. Der marode Zustand der Brücke steht symptomatisch für eine Vielzahl der 23 Straßenbrücken über den Rhein zwischen Emmerich und Bonn, von denen ein Großteil dringend sanierungs- und erneuerungsbedürftig ist.
Für den Ersatzbau der Josef-Kardinal-Frings-Brücke rechnet die DEGES Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH aktuell mit einer Fertigstellung bis 2035. Bemerkenswert: Sechs bis acht der veranschlagten zehn Jahre entfallen allein auf Planung und Vergabe des Projekts. „Das ist viel zu lange, und das kann deutlich schneller gehen“, kritisiert Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein.
Um konkrete Lösungsansätze aufzuzeigen, haben die beiden Industrie- und Handelskammern und die NDH ein juristisches Gutachten zur Beschleunigung von Brücken-Neubauten in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sowie ein darauf aufbauendes Sechs-Punkte-Forderungspapier präsentierten Jürgen Steinmetz, Hauptgeschäftsführer der IHK Mittlerer Niederrhein, Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf, und Sascha Odermatt Geschäftsführer der NDH, heute auf dem Podium der Landespressekonferenz im Düsseldorfer Landtag.
Die Fachjuristen Elmar Loer und Dr. Alexander Beutling von der Kanzlei Lenz und Johlen kommen in dem Gutachten zu dem klaren Ergebnis: Planungszeiträume lassen sich auf ein Jahr reduzieren. „Planfeststellungsverfahren müssen künftig innerhalb eines Jahres abgeschlossen sein. Hier ist die Landesregierung gefordert: Bis Ende 2025 erwarten wir konkrete Gesetzesentwürfe, die Planungszeiten halbieren und Brückensanierungen spürbar beschleunigen – alle bestehenden Spielräume müssen endlich konsequent genutzt werden“, bringt es Gregor Berghausen auf den Punkt. „Dass das machbar ist, zeigen die Neubauten der A40-Brücke in Duisburg und der A1-Brücke in Leverkusen.“
Voraussetzung ist jedoch ein konsequenter Kurswechsel bei den Rahmenbedingungen. „Die Landesregierung ist gefordert, klare Vorgaben zu machen: Ersatzneubauten müssen höchste Priorität haben, und die maximale Verfahrensdauer von einem Jahr muss als verbindliches Ziel festgelegt werden“ fordert Berghausen. Ein verbindlicher öffentlicher Zeitplan, klar definierte Ansprechpartner, Verfahrenslotsen, die den Projektverlauf permanent koordinieren, und behördeninterne Mediationsprozesse, die Streitfragen zügig klären, sind weitere Bausteine, um das Planfeststellungsverfahren in Jahresfrist sicherzustellen.
Auch auf juristischer Ebene sieht das Gutachten klare Beschleunigungsmöglichkeiten. „Die Dauer gerichtlicher Verfahren bei Planungs- und Genehmigungsprozessen muss deutlich reduziert werden.“ sagt Jürgen Steinmetz. „Wir empfehlen der Landesregierung, beim Oberverwaltungsgericht Münster einen spezialisierten Infrastruktursenat einzurichten, um Klagen innerhalb eines Jahres zu bearbeiten und zu entscheiden.“
Ein weiterer zentraler Hebel ist die Vergabepraxis. „Bei so zeitkritischen und komplexen Infrastrukturvorhaben wie die anstehenden Ersatzneubauten von Rhein-Brücken sollte die Gesamtvergabe zur rechtssicheren Regel und von dem bisherigen sehr hohen Begründungsaufwand befreit werden“, erklärt Sascha Odermatt, Geschäftsführer der Neuss-Düsseldorfer Häfen „Der eigentlich vorrangige Losvergabezwang führt zu Verzögerungen, erhöht Schnittstellenrisiken und ist wenig effizient.“ Häufig seien bis zu 30 Einzelausschreibungen notwendig, die versetzt parallel orchestriert werden müssten. „Der Mittelstand kann im Rahmen einer vereinfachten Gesamtvergabe über Konsortien oder als Unterauftragnehmer an den Projekten beteiligt werden“, ergänzt Odermatt.
Die drei Partner werden nun die Ergebnisse des Gutachtens sowie ihren Sechs-Punkte-Forderungskatalog den zuständigen Behörden und politischen Entscheidungsträgern vorstellen und für eine Umsetzung der Beschleunigungsmaßnahmen werben. „Die Zeit drängt“, sagt Steinmetz. „Die Wirtschaft in der Region ist auf leistungsfähige Rheinbrücken angewiesen.“ Allein die Josef-Kardinal-Frings-Brücke nutzten vor der Ablastung täglich rund 3.500 Lkw. „Dabei handelte es sich zum großen Teil um Quell- und Zielverkehre der Hafengebiete in Neuss und Düsseldorf“, ergänzt Odermatt.
Ein vollständiger Ausfall der Brücke hätte gravierende Folgen: Die volkswirtschaftlichen Kosten könnten sich dann auf jährlich rund 300 Millionen Euro summieren. „Die Kosten für den Neubau der Brücke liegen nach ersten Schätzungen ebenfalls in dieser Größenordnung – jedoch einmalig, nicht jährlich“, erklärt Berghausen. „Das macht noch einmal deutlich, wie wichtig es ist, dass wir die Bauzeit verkürzen.“ Dass dies möglich sei, zeige das Rechtsgutachten. Es gelte nicht nur für die Josef-Kardinal-Frings-Brücke, sondern liefere auch für andere dringend erforderlichen Neubauprojekte wie die Uerdinger Rheinbrücke oder die Fleher Brücke und letztlich alle Infrastruktur-Großprojekte die Blaupause dafür, wie die Bauzeit erheblich verkürzt werden kann. „Jetzt liegt es an den Verantwortlichen, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen“, sagt Steinmetz abschließend.
Angesichts des enormen Erneuerungsbedarfs bei Brücken in NRW und der wachsenden Anzahl an Klagen fordern die Akteure, Planung, Genehmigung, Vergabe und gerichtliche Verfahren neu aufzustellen. Hieraus leiten die Partner folgende Forderungen ab:
Sechs konkrete Forderungen für schnellere Brückenprojekte:
- Reibungslose Planfeststellungsverfahren garantieren
- Beschleunigungspotenziale im geltenden Rech voll ausschöpfen
- Gerichtsverfahren beschleunigen – Infrastruktursenat einrichten
- Praxisgerechte Vergabe ermöglichen – Losvergabezwang entschärfen
- Funktionale Leistungsbeschreibung konsequent anwenden
- Mitwirkungen auf kommunaler Ebene konstruktiv gestalten
Die Infrastruktur am Rhein ist das Rückgrat für Industrie, Handel und Logistik in ganz NRW. Weitere Verzögerungen beim Ersatzneubau gefährden Standortattraktivität, Lieferketten und Arbeitsplätze. Die IHKs Düsseldorf und Mittlerer Niederrhein sowie die Neuss-Düsseldorfer Häfen fordern Land und Kommunen auf, jetzt den Weg freizumachen für schnellere, digitale und rechtssichere Verfahren.