Kerstin Griese mit Jens Südekum auf der kleinen Bühne. Foto: Büro Griese
Kerstin Griese mit Jens Südekum auf der kleinen Bühne. Foto: Büro Griese

Ratingen. „Ich rücke nah an Lars Klingbeil ran und bleibe trotzdem unabhängig“: So beschrieb Jens Südekum, Wirtschaftsprofessor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, seine Rolle als ehrenamtlicher persönlicher Berater des Bundesfinanzministers. Südekum war zu Gast bei „Kerstin Griese trifft …“ im Medienzentrum Ratingen und hatte bereits vor der Regierungsbildung dabei geholfen, das Sondervermögen auf den Weg zu bringen.


„Das hatte Züge eines Wirtschaftskrimis“, erinnerte er sich an die kurze Zeit, in der die Grundgesetzänderung noch mit den Mehrheiten des alten Bundestags beschlossen werden musste, um das über zwölf Jahre laufende 500-Milliarden-Sondervermögen zu ermöglichen. Auf Kerstin Grieses Frage, wie das Geld jetzt schnell investiert werden kann, bremste Jens Südekum ein wenig: „Man darf es nicht total überstürzen. Das Geld muss in echte Projekte umgemünzt werden, damit mehr Kilometer Straße, Schiene und Brücke entstehen und nicht einfach nur die Preise steigen, weil in der Baubranche Bonanza-Stimmung herrscht. Es gibt in Deutschland 400 marode Brücken, und in den zwölf Jahren können alle saniert werden. Es darf nur nicht passieren, dass wegen wahnwitziger Planungsverfahren jede Brücke 20 Jahre braucht“, warnte Südekum.

Die Lösung sei, den Bau der Gasterminals in der Energiekrise zum Vorbild zu nehmen. Der habe von der Planung bis zur Fertigstellung wegen „überragenden öffentlichen Interesses“ nur zehn Monate gedauert. Alle Investitionen aus dem Sondervermögen sollten in einem überragenden Interesse stehen, damit es genauso schnell geht.

Griese übte deutliche Kritik an der Landesregierung, die lediglich 49 Prozent des NRW zustehenden Sondervermögens auf direktem Weg an die Städte weitergibt. Ursprünglich war vorgesehen, dass bundesweit 100 Milliarden Euro an die Kommunen fließen, so Südekum. Dies hätten die Länder jedoch verhindert. „Wir nehmen das Geld vom Bund sehr gerne, aber wir lassen uns nicht reinreden“, so beschreibt er die Haltung der Bundesländer. Er wies auf die Beispiele Kitas und Schulen hin und sagte: „Die Erwartung in der Bevölkerung ist, dass das Geld in den Kommunen eingesetzt wird, denn das sind die Investitionen, die die Menschen sehen.“

Griese und Südekum waren sich einig, dass der Fachkräftemangel, der durch die in Rente gehende Babyboomer-Generation verursacht wird, schon seit einiger Zeit eine der größten ökonomischen Herausforderungen darstellt. Sozialstaatssekretärin Griese beklagte, dass die Zahl der Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlassen, steigt. Da müsse sich an den Schulen viel verändern, so Griese. Südekum wies darauf hin, dass Zuwanderung selbstverständlich nötig sei. Diskussionen über Grenzschließungen oder die Stadtbilddebatte seien da nicht hilfreich, weil sich die Menschen dann nicht willkommen fühlen und gerade die qualifizierten Fachkräfte woanders hingehen.

In der Diskussion mit dem Publikum sprachen sich Kerstin Griese und Jens Südekum dafür aus, die Einnahmen zu erhöhen und reiche Menschen höher zu besteuern. Südekum brachte deshalb eine Reform der Erbschaftssteuer ins Gespräch. Selbst der CDU-Fraktionschef Spahn habe ihm in einer Talkshow gesagt, dass die Vermögensunterschiede in Deutschland zu groß seien.

Weiter geht es mit der Gesprächsreihe „Kerstin Griese trifft …“ am Montag, dem 17. November um 17 Uhr. Dann kommt Natalie Pawlik, Integrations- und Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, ins Velberter Bürgerzentrum BiLo, Von-Humboldt-Straße 53. Sie wird mit Griese und dem Publikum darüber diskutieren, wie unsere Einwanderungsgesellschaft gestaltet werden muss. Am Donnerstag, dem 20. November, um 18 Uhr heißt es „Kerstin Griese trifft … Thomas Kutschaty“ im Bürgerhaus Ratingen, Marktplatz 1. Der ehemalige NRW-Justizminister wird über die Möglichkeiten und Risiken informieren, das im Grundgesetz verankerte Parteiverbotsverfahren gegen die AfD einzusetzen.