Ratingen. Für das Jahr 2023 ist im Museum Ratingen ein vielfältiges Ausstellungsprogramm mit zeitgenössischer und moderner Kunst geplant.
Gezeigt werden drei große Sonderausstellungen, eine Studioausstellung und eine thematische Sammlungspräsentation mit frischem Blick auf Sammlungsbestand und Dauerleihgaben.
Die lichten und weitläufigen Ebenen des Neubaus werden ganz unterschiedlich bespielt mit abstrakter sowie gegenständlicher Malerei, Video- und Klanginstallationen und keramischer Plastik begleitet von Aquarellmalerei. Herausragende Werke aus der Ratinger Sammlung erscheinen in neuem Licht zusammen mit einer Auswahl der Dauerleihgaben der Sammlung Ganteführer mit Fokus auf Art Informel und Tachismus im Dialog mit dokumentarischen Fotoporträts der gezeigten Künstler.
Außerdem noch zu sehen bis Ende Januar sind die laufende Werkschau mit Fotoarbeiten von Ralf Brueck (bis 29.1.) und die aktuelle Sammlungspräsentation Fahrt ins Blaue (verlängert bis 26.2.).
Noch bis Ende Januar läuft die herausragende Ausstellung des Düsseldorfer Fotokünstlers Ralf Brueck, Jg. 1966. Er studierte an der Kunstakademie Düsseldorf bei Bernd Becher und schloss sein Studium als Meisterschüler bei Thomas Ruff im Jahr 2003 ab, womit er als jüngster Vertreter der Düsseldorfer Fotoschule gilt.
Ausgehend von seiner Auseinandersetzung mit architektonischen Konstrukten und urbanen Topografien im Frühwerk, kennzeichnen seine aktuellen Werke, die auch gewaltige Naturphänomene in den Fokus nehmen, drastische Eingriffe in die ‚digitale DNA‘ der großzügig dimensionierten Fotoarbeiten, die bis zur Auflösung von Bildgrenzen führen und gezielt Irritation hervorrufen. Dies gilt auch für eine Folge von neuen Videoarbeiten, die im Projektionsraum laufen.
„Jan Kolata. malen“
Das neue Ausstellungsjahr beginnt dann mit einer Ausstellung der abstrakten Malerei von Jan Kolata, Jg. 1949, der seit den 1970er Jahren bis heute ein umfangreiches Œuvre geschaffen hat. Der Schwerpunkt liegt auf den neuen, teils großformatigen Bildern des letzten Jahrzehnts, die im Erdgeschoss des Museums präsentiert werden. Kolata studierte an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo er 1977 bei Erich Reusch seinen Abschluss machte. Später lehrte Kolata selbst in Münster und Basel, bis 2016 hatte er eine Professur für Malerei an der Technischen Universität Dortmund, zudem rege Ausstellungstätigkeit im In- und Ausland.
Das visuelle Eintauchen in Kolatas farbintensive, vielschichtige Farbwelten ist ein Genuss. Sein spielerischer und zugleich analytischer Umgang mit dem Farbmaterial scheint unerschöpflich, die Wirkung von Farbe und Raum wird intensiv untersucht. Die Arbeit mit „gesteuertem Zufall“ bei der Entstehung der Bilder spiegelt den Malprozess selbst – ein Schütten, Verstreichen und Wischen der Farbströme von allen Seiten. Dieses Darstellen der Transformation des Farbflusses zur Momentaufnahme von Malerei und eine unergründliche Räumlichkeit erreicht Kolata durch transparente Lasuren oder dichte Überlagerungen von Farbschichten. Auch neue großformatige Arbeiten entstehen eigens für die Ausstellung.
Ausstellung und Katalog werden vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Jan Stieding. Draußen
Mit Jan Stieding, Jg. 1966, folgt eine weitere malerische Position. Diese Einzelausstellung des ebenfalls in Düsseldorf lebenden, gegenständlichen Malers findet im Obergeschoss des Museums statt. Durch die zeitliche Überschneidung mit Jan Kolatas Ausstellung können zwei unterschiedliche Positionen aktueller Malerei in Gegenüberstellung betrachtet werden.
Jan Stieding begann 1991 sein Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden und wechselte dann an die Kunstakademie Düsseldorf, wo er Meisterschüler von Jörg Immendorff und später nach seinem Abschluss 1998 auch dessen Assistent wurde.
Unter dem Titel „Draußen“ zeigt Jan Stieding eine Auswahl seiner Arbeiten von 1995 bis heute. Der Ausstellungstitel ist dabei programmatische Klammer und spielt mit der Doppelbedeutung des Wortes. „Draußen“ als Ort in der Natur, des Unterwegsseins oder auch jenseits geschlossener Räume oder Gesellschaftssysteme.
Jan Stieding greift in der malerischen Umsetzung, die sich frei an der Grenzlinie zwischen figurativer Darstellung und Abstraktion (Unschärfe, Verwischung) bewegt, den Zeitgeist auf. Die aktuelle Werkserie Birken begann er im Lockdown des Jahres 2021. Sie besteht aus fortlaufenden kleinformatigen Gemälden, die der Künstler draußen in der freien Natur malt. Stetig wiederkehrendes Motiv ist der Birkenstamm. Hiervon ausgehend entstehen im Atelier groß- und mittelformatige Bilder. Weiße Birkenstämme leuchten vor weißem Farbraum, mal in der Gestik der Äste, mal in ihren typischen Kontrasten, doch stets als lebendige Wesen. Wie Tagebuchnotizen geben sie eine subjektive Sichtweise auf eine Zeit im Ruhezustand wieder, die den konzentrierten Blick auf die umgebende Natur und das Private einfordert.
Zur Ausstellung erscheint eine Publikation.
Annebarbe Kau. Diamantenstaub – im Projektraum
Die in Ratingen geborene Medienkünstlerin Annebarbe Kau, Jg. 1958, bespielt ab Mai den Projektraum im Erdgeschoss des Museums als Kontrapunkt zu den beiden Malereiausstellungen. Sie zeigt eine Videocollage auf fünf Monitoren mit Filmen aus unterschiedlichen Schaffensphasen. Das früheste Video entstand während eines Stipendiums in New York in den 80er Jahren, eigens für Ratingen konzipiert ist ihr aktuelles Thema ‚Diamanten‘. Die Künstlerin begibt sich auf Spurensuche nach Schätzen innerhalb des eigenen Œuvres, die sie kombiniert mit neuen Aufnahmen von 2023 in den Schatzkammern von Dresden.
Annebarbe Kau studierte an der Kunstakademie Düsseldorf als Meisterschülerin von Nam June Paik und lebt heute in Köln. Im Jahr 2019 zeigte sie in der Evangelischen Stadtkirche Ratingen eine Einzelausstellung mit dem Titel „Halt in Eile“.
Sammlungspräsentation
Zum Auftakt der Kultursaison im Herbst wird eine neue Sammlungspräsentation eröffnet: Moderne und zeitgenössische Werke veranschaulichen Stationen der Kunstentwicklung seit 1945. Für die Präsentation im Erdgeschoss kann das Museum Ratingen aus dem Vollen schöpfen – eigener Sammlungsbestand und hochkarätige Dauerleihgaben aus der Sammlung Ganteführer werden zusammen gezeigt in monografischen Künstlerräumen. Es sind Positionen des Informel wie Peter Brüning, Emil Schumacher, Gerhard Hoehme und Hann Trier, ergänzt durch Fotoporträts. Diese crossmediale Auflockerung verdeutlicht lebendig die Relevanz herausragender klassischer Positionen für die Jetztzeit.
Carol Pilars de Pilar
Im Œuvre von Carol Pilars de Pilar, Jg. 1961, nimmt der Mensch eine zentrale Rolle ein. Seit 2004 entstehen Porträts auf Papier, ihre Modelle malt die Künstlerin ohne Vorzeichnung direkt in Aquarellfarbe. Dabei lässt sich eine intensive Hinwendung zu den porträtierten Personen spüren, deren Alter und Herkunft sehr unterschiedlich sind. In jüngster Zeit macht die Künstlerin Audioaufnahmen, in denen die Porträtierten von ihrem Leben und Erfahrungen im Alltag erzählen.
Eine solche neue Soundinstallation in 30 Sprachen ist auch Teil der Ratinger Ausstellung. Die verschiedenen Sprachen vermischen sich zu einer vielstimmigen Melodie, einzelne Stimmen erkennbar, andere fremd. Der Besucher hört die Klänge und schreitet durch eine Installation von langen Stoffbahnen. Ganz gegensätzlich hierzu zeigt die Künstlerin außerdem expressive, eher kleine Tonfiguren. Die unterschiedlichen Figuren werfen Fragen zu den Themen Weiblichkeit, Männlichkeit und Transgender auf.
Carol Pilars de Pilar, geboren in Bad Godesberg, begann 1980 als Restauratorin an verschiedenen Museen und arbeitet seit 1985 als freischaffende Künstlerin, sie lebt in Düsseldorf.
Die Ausstellung im Museum Ratingen findet im Obergeschoss statt. Die eingehende Beobachtung der menschlichen Figur und das Medium Keramik schlagen eine Brücke zur museumseigenen Porzellansammlung von Johann Peter Melchior.
Das gesamte Programm gibt es auch online unter: www.museum-ratingen.de.
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