Velbert. Was einst vor 30 Jahren klein und unauffällig begonnen hat, entwickelte sich schnell zu einer Großveranstaltung religiöser und landsmannschaftlicher Art: Die Rede ist von der jüngsten Wallfahrt im Erzbistum Köln, der schlesischen Mutter-Anna-Wallfahrt in Velbert-Neviges.
1995 feierte man auf Initiative von Damian Spielvogel die erste Familienmesse zu Ehren der Heiligen Anna als Erinnerung an die Wallfahrten zum St. Annaberg in Oberschlesien. 30 Jahre danach gehört die Mutter-Anna-Wallfahrt nicht nur zu den größten Wallfahrten im Erzbistum Köln, sondern ist auch die größte schlesische Veranstaltung landsmannschaftlicher Art in der Bundesrepublik Deutschland. 30 Jahre später agiert immer noch Damian Spielvogel ununterbrochen als Gesamtleiter dieser Wallfahrt.
Die Verehrung der Heiligen Anna begann zögerlich im Jahr 550 mit dem Bau einer Kirche zu ihren Ehren in Konstantinopel. Zu der Zeit danach schweigen die Quellen, bis 1142 Avda, die Witwe von König Balduin, die St.-Anna-Kirche in Jerusalem errichtete. Seit dem 13. Jahrhundert erfuhren die Verehrung und Legenden über Anna eine starke Zunahme und erreichten im 15. und 16. Jahrhundert ihren Höhepunkt, vor allem im deutsch-niederländischen Raum.
Im 15. und 16. Jahrhundert erlangte die Verehrung von Anna weiter an Beliebtheit. Sie war lange Zeit die Lieblingsheilige von Martin Luther und Kaiser Maximilian. Papst Sixtus IV. verlieh der Hl. Anna 1481 einen eigenen Gedenktag, und gut einhundert Jahre später, 1584, legte Papst Gregor XIII. den 26. Juli als Festtag für Anna fest. Dieser Tag wird bis heute als Anna-Tag gefeiert, um der Heiligen Anna zu gedenken, der Mutter von Maria und der Großmutter von Jesus.
Mehrere schlesische Wallfahrtsorte
Schlesien hatte mehrere Anna-Wallfahrtsorte, so beispielsweise Rosenberg, Kursdorf, Schmiedeberg oder Glogau. All die Orte übertreffen an Bedeutung und Zahl der Pilger weit St. Annaberg in Oberschlesien. In West-Deutschland erlebte die Heilige-Anna-Verehrung nach 1945 vor allem durch die Vertriebenen und Aussiedler aus Schlesien einen Aufschwung. Dieser Tradition folgend, entwickelte sich die schon traditionelle und sehr beliebte Mutter-Anna-Wallfahrt in Velbert-Neviges: Sie ist jedes Jahr ein fester Bestandteil im Kalender zahlreicher Menschen, die ihre Wurzeln in Schlesien haben. Aber auch Menschen ohne einen schlesischen familiären Hintergrund besuchen die Wallfahrt. So findet diese Mutter-Anna-Wallfahrt in schlesischer Tradition stets am Sonntag nach dem Gedenktag der Heiligen Anna (26. Juli) – also am letzten Juli-Sonntag – statt.
Zu der diesjährigen Wallfahrt machten sich am Sonntag, 27. Juli, über 5.000 Menschen aus nah und fern auf den Weg, um gemeinsam im vollbesetzten Mariendom die Eucharistie zu feiern, zu beten und zu singen. Die heilige Messe als Pilgerhochamt gefeiert zelebrierte erneut Abbé Thomas Diradourian. Konzelebrant war Pfarrer Rainer Hoverath, Kölner Diözesanbeauftragter für Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge.
Unter den Besucher befand sich auch Velberts Bürgermeister Dirk Lukrafka, der während des Wallfahrtsgottesdienstes eine Fürbitte vorgetragen hat. Außerdem nahmen Monika Schultze und Carsten Becher von der Redaktion der Schlesischen Nachrichten teil. Für die Landsmannschaft der Oberschlesier waren zugegen das Bundesvorstandsmitglied Maria Hora und der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Andreas Gundrum.
Zu Beginn des Wallfahrtsgottesdienstes wurde die „Schlesische Pilgerkerze“ durch Abbé Thomas Diradourian gesegnet und anschließend durch die zwölfjährige Vanessa Wieczorek aus Velbert angezündet. Wie bereits letztes Jahr standen Kinder im Vordergrund der Wallfahrt. Noch vor dem Beginn der Eucharistiefeier verteilten vor der Kirche junge Frauen in schlesischen Trachten Papierfähnchen in schlesischen und oberschlesischen Farben sowie Erinnerungsbildchen mit einem Hl. Anna-Motiv an die kleinen Besucher.
Musikalisch wurde der Pilgergottesdienst durch das Oberschlesische Blasorchester Ratingen unter der Leitung von Andreas Buschmann und den Organisten Marc-David Schwarz aus Solingen begleitet. Das religiöse Geschehen rundete die feierliche Schlesische Marienvesper mit Aussetzung und sakramentalem Segen ab, der ebenfalls Abbé Thomas Diradourian vorstand. Abbé Thomas Diradourian bezeichnet die Mutter-Anna-Wallfahrt als „seine Lieblingswallfahrt“. Diese Tatsache ist unschwer bei seinem Einsatz zu erkennen. Für die meisten anwesenden Pilger, wie man aus zahlreichen persönlichen Gesprächen erfahren kann, ist der aus Frankreich stammende Abbé Thomas Diradourian „der beste Zelebrant und Prediger“. Zahlreiche Fahnen- und Trachtenträger sowie die Gruppe der oberschlesischen Bergleute aus dem Ruhrgebiet rundeten das gesamte Altarbild farbenträchtig ab.
Doch zu einer Wallfahrt schlesischer Tradition, so auch in Neviges, gehört das Kirmesfest nach dem Pilgerhochamt: Schlesische Backerzeugnisse der Brotbäckerei Müller aus Schwelm und Wurstspezialitäten der Firma Golly aus Dülmen waren sehr begehrt, auch wenn man bis zu 30 Minuten anstehen musste, um bedient zu werden. Doch auch diese Warteschlangen gehören dazu, am Ende wird man mit einem schlesischen Streusel-Mohnkuchen oder einer kräftigen Graupenwurst belohnt.
Für willkommene Abkühlung sorgte der Getränkestand der Gruppe „Junges Schlesien“, für den der 28-jährige Tobias Schulz, seines Zeichens auch Bundesschatzmeister der Landsmannschaft Schlesien, mit anderen jungen Leuten Verantwortung trug. Auch die Informationsstände waren sehr gut frequentiert: Die Mitarbeiterinnen der Bundesgeschäftsstelle, Cilly Langschwager und Gertrud Bunzel, betreuten den Informationsstand der Landsmannschaft Schlesien, Leonhard Wons stand Rede und Antwort am Stand des Oberschlesischen Landesmuseums aus Ratingen und erstmalig war auch ein Stand des Hauses Schlesien aus Königswinter mit Florian Paprotny präsent. Das alles geschah bei den Klängen des Oberschlesischen Blasorchesters Ratingen, das ein Platzkonzert gab.