Bürgermeister Rainer Ritsche. Foto: Mathias Kehren
Bürgermeister Rainer Ritsche. Foto: Mathias Kehren

Wülfrath. Wülfraths Bürgermeister Rainer Ritsche richtet sich in einem Grußwort anlässlich der Weihnachtstage und des Jahreswechsels an die Bürgerinnen und Bürger der Stadt. Er schreibt: 


Liebe Wülfratherinnen und Wülfrather,

zum Jahreswechsel ist es mir wichtig, auf die meines Erachtens schwierigste Entscheidung des Jahres 2024 zurückblicken, die sich im kommenden Jahr mit zum Teil erheblichen Umverteilungen der Steuerbelastung bei den Eigentümerinnen und Eigentürmern und Mieterinnen und Mietern niederschlagen wird: Die Umsetzung der Grundsteuerreform zum 1. Januar 2025.

Diese Änderung folgte einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches die bisherigen Regelungen zur Grundsteuer für verfassungswidrig erklärte. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass wir in Wülfrath an der Systematik der Ermittlung der Messbeträge für die Gebäude und Grundstücke nicht mitwirken, sondern diese von den örtlichen Finanzämtern nach einer Vorgabe der Landesregierung ermittelt werden. Auf die durch das Finanzamt festgestellten Messbeträge wird der vom Rat beschlossene Hebesatz angewendet, so dass sich daraus der von den Steuerpflichtigen an die Stadt zu zahlende Grundsteuerbetrag ergibt.

Die Neugestaltung dieser Steuer hat insbesondere aufgrund der stark gestiegenen Immobilienwerte dazu geführt, dass die Summe der Messbeträge für die Nichtwohngrundstücke im Verhältnis zur Summe der Messbeträge für die Wohngrundstücke gesunken ist. Leider hat das Land Nordrhein-Westfalen trotz frühzeitiger Warnungen im Jahr 2022 u.a. durch den Städte- und Gemeindebund NRW nicht rechtzeitig eingegriffen, um die daraus resultierenden Belastungsverschiebungen landeseinheitlich auszugleichen. Dies hätte über Anpassungen in der Methodik der Ermittlung der Grundsteuermessbeträge erfolgen können.

Erst Mitte letzten Jahres (!) hat die Landesregierung mit der Schaffung einer Optionsregelung den Kommunen die Möglichkeit eingeräumt, per Ratsentscheid sogenannte differenzierte Hebesätze für Wohn- und Nichtwohngebäude festzusetzen um die Belastungsverschiebungen abmildern zu können. Die Finanzämter haben den Kommunen auf ihren Messbetragsfestsetzungen fußende Hebesätze mitgeteilt, mit denen die jeweilige Stadtverwaltung in etwa das gleiche Grundsteueraufkommen erzielt wie vor der Reform. Diese sogenannte aufkommensneutrale Umsetzung der Reform bezieht sich nur auf das Gesamtgrundsteueraufkommen in der Gemeinde, nicht auf die Belastung des einzelnen Steuerfalls.

Die Entscheidung, in welchem Maße Belastungsverschiebungen zwischen Wohn- und Nichtwohngebäuden ausgeglichen werden, wurde damit leider auf die Städte übertragen. Hier hat das Land NRW das Problem auf die kommunale Ebene verlagert, gegen den ausdrücklichen Willen der kommunalen Familie. Am Ende musste also der Rat „die Suppe auslöffeln“, die ihm andere eingebrockt haben.

In der letzten Ratssitzung hatte ich mich für einen einheitlichen Hebesatz von 1099 Prozentpunkten ausgesprochen. Meine Empfehlung basierte auf rechtlichen Unsicherheiten, die mit einer Differenzierung der Hebesätze verbunden sind. Unterschiedliche Rechtsgutachten des Landes NRW und des Städtetages NRW, kommen hier zu völlig gegensätzlichen Schlussfolgerungen.

Nach intensiver Diskussion in der letzten Ratssitzung, haben wir in Wülfrath aber einen anderen Weg eingeschlagen. Eine mehrheitlich getroffene Entscheidung in geheimer Abstimmung, die allen Mandatsträgerinnen und -trägern sicher nicht leichtgefallen ist: Ab dem

1. Januar 2025 gelten in Wülfrath differenzierte Hebesätze. Die beschlossenen Hebesätze betragen für Wohngrundstücke 918 Prozentpunkte und für Nichtwohngrundstücke (z. B. Gewerbe) 1.744 Prozentpunkte. Sie entsprechen den Hebesätzen, die vom Finanzamt als aufkommensneutrale Hebesätze ermittelt worden sind. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass meines Wissens nach noch eine Vielzahl der Messbetragsbescheide des Finanzamtes nicht bestandskräftig sind.

Liebe Wülfratherinnen und Wülfrather,

während die differenzierten Hebesätze gerechter erscheinen, sind sie möglicherweise mit rechtlichen Risiken verbunden, die erst durch die Rechtsprechung geklärt werden können.

Die Umsetzung der Grundsteuerreform ist ein komplexes Thema, und es ist mir wichtig, transparent darzulegen, wie es zu unserer Entscheidung gekommen ist. Sicher wird es auch durch die Hebesatzdifferenzierung in diversen Fällen zu erheblichen Grundsteuersteigerungen kommen. Insbesondere die von der Landesfinanzverwaltung empfohlene erhebliche Spreizung des Hebesatzes wird im ein oder anderen Fall zu einer gefühlten Ungerechtigkeit führen können. Ich halte die politische Entscheidung auf Landesebene mit dem Optionsmodell für eine Hebesatzdifferenzierung von einer landeseinheitlichen Systematik abzuweichen für nicht gut und bedaure, dass eine interkommunale Vergleichbarkeit der Grundsteuerbelastung damit künftig nicht mehr möglich sein wird.

Abseits der Grundsteuer stehen uns 2025 jedoch weitere wichtige Aufgaben bevor, wie die Gestaltung der Folgen des Klimawandels, der Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen und die Sanierung unserer öffentlichen Gebäude.

Ihr Einsatz und Ihr Engagement sind dabei das Fundament unseres gemeinsamen Erfolgs. Ehrenamtlich Engagierte spielen dabei eine besonders wertvolle Rolle. Hierfür möchte ich Ihnen ausdrücklich danken.

Zum Jahreswechsel wünsche ich Ihnen und Ihren Liebsten eine friedvolle Weihnachtszeit und einen guten Start in ein hoffnungsvolles neues Jahr 2025.

Mit den besten Wünschen für Sie und Ihre Familien,

Ihr

Bürgermeister

Rainer Ritsche