Mehr als 1,5 Tonnen wiegt die große Glocke der evangelischen Stadtkirche Wülfrath, die Pfarrer Thomas Rehrmann hier anschaut. Foto: Kling/Archiv
Mehr als 1,5 Tonnen wiegt die große Glocke der evangelischen Stadtkirche Wülfrath, die Pfarrer Thomas Rehrmann hier anschaut. Foto: Kling/Archiv

Hoch oben, über den Dächern der Fachwerkhäuser, entsteht der Herzschlag der Stadt. So nennt Pfarrer Thomas Rehrmann das Glockengeläut der evangelischen Stadtkirche. Irgendwann in naher oder mittlerer Zukunft wird dieser Herzschlag für eine Weile nicht zu hören sein. Die Glocken müssen repariert werden. 


Richtiger gesagt: Es sind nicht die Glocken, die reparaturbedürftig sind, sondern die Konstruktion, an der sie hängen: der Glockenstuhl.

Der romanische Turm der Stadtkirche ist im 11. Jahrhundert entstanden. Von außen nicht zu sehen ist das Fundament aus Holz, das den Glockenstuhl trägt. Diese Eisenkonstruktion, an der die drei tonnenschweren Glocken hängen, muss neu hergestellt werden.

Alle zwei Jahre kommt eine Spezialfirma, um die Glocken zu überprüfen. Beim letzten Mal haben die Fachleute Mängel festgestellt. „Die Stahljoche, an denen die Glocken seit 1920 aufgehangen sind, zeigen Verwindungserscheinungen“, erklärt Thomas Rehrmann. Das heißt: „Ein sicherer Betrieb der Glocken ist langfristig nicht mehr gewährleistet.“ Sollen die Kirchenglocken weiter läuten, müssen Stahljoche und Glockenstuhl erneuert werden.

Nach der grundlegenden Renovierung der Stadtkirche vor drei Jahren kommen auf die evangelisch-reformierte Kirchengemeinde erneut außerplanmäßige Kosten zu: Nach ersten Berechnungen der Experten werden rund 20.000 Euro benötigt, um das Glockengestell zu erneuern.

Deshalb haben sich Thomas Rehrmann und Baukirchmeister Manfred Hoffmann auch dazu entschieden, die Bevölkerung um Spenden zu bitten. Bei der Volksbank im Bergischen Land hat die Gemeinde ein sogenanntes Crowd-Funding angemeldet (www.bergische-schaffen-mehr.de). Ein Viertel der Kosten möchte die Gemeinde durch Spenden abdecken. Es darf gerne mehr Geld zusammenkommen, und es können auch auf anderem Wege Spenden gegeben werden, betont Pfarrer Rehrmann, denn Crowd-Funding ist ja nicht für jeden der älteren Generation ein bekannter Begriff.

Der Herzschlag der Stadt schlägt jedenfalls alle Viertelstunde. Wobei: Es wird unterschieden zwischen weltlichem Läuten und kirchlichem Läuten. Wenn die Kirche beispielsweise zum Gottesdienst ruft oder beim abendlichen Läuten um 21 Uhr, dann werden die drei Schwergewichte so zum Schwingen gebracht, dass die Schläge der Klöppel weithin über die Stadt zu hören sind.

Das weltliche Läuten, der Uhrschlag, wird durch die Hämmer erzeugt, die auf den Rand der Stahlglocken schlagen. Dieses weltliche Läuten unterliegt übrigens dem Emissionsschutzgesetz, wie Rehrmann und Hoffmann erklären, weshalb der Viertelstundenschlag und die Schläge, die zur vollen Stunde die Uhrzeit angeben, seit einigen Jahren etwas leiser sind als zuvor.

Die Stahlglocken sind Nachkriegskinder. Denn unter den Nazis wurden die Glocken zunächst beschlagnahmt, 1942 die zwei großen dann auch eingeschmolzen für die Waffenproduktion.

Seit 1948 schwingen die aktuellen Glocken über den Dächern der Stadt. Gegossen wurden sie damals vom Bochumer Verein und finanziert durch eine Bürgerstiftung. Hören kann sie jeder, zu sehen bekommt sie fast niemand. „Unsere Konfirmanden erklettert einmal im Jahr den Glockenturm“, erzählt Pfarrer Rehrmann. Der Höhepunkt der Kirchenführung.

Über steile Leitern aus Holz geht es in den Glockenraum. Hier oben in der Enge des Turms müssen dann auch die Arbeiten für das neue Gerüst stattfinden.

Bevor die Arbeiten vergeben werden, wird sich die Gemeinde weiteren Rat bei dem Glockenspezialisten der Landeskirche einholen, der sich mit solchen Herausforderungen auskennt.

Die Glocken jedenfalls bleiben während der Arbeiten im Turm. Sie erhalten einen Unterbau, sodass sie ausgehangen und abgestellt werden können. Diese Podeste müssen schon stabil sein, denn die größte Glocke allein wiegt 1,5 Tonnen.

Wann die Arbeiten stattfinden können, wissen Rehrmann und Hoffmann noch nicht. Akut ist die Sicherheit nicht gefährdet. Vorerst ist der Herzschlag der Stadt also weiterhin jede Viertelstunde zu hören.

Die Glocken

Um 7, 12 und um 21 Uhr läuten die Glocken der evangelischen Stadtkirche. Außerdem zu den Gottesdiensten. Samstags findet das Abendläuten bereits ab 19 Uhr statt. Früher war das Abendläuten für die Menschen in der Stadt auch das Zeichen, das Herdfeuer auszumachen. Und in der Zeit des „Dritten Reiches“ wurde es in der bekennenden Kirche als Mahn-Läuten gegen das Nazi-Regime verstanden.

Die große Glocke ist 1.590 Kilogramm schwer, der Klöppel allein wiegt 142 Kilogramm. Die mittlere Glocke wiegt 810 Kilogramm, die kleine Glocke noch 505 Kilogramm.

Muskelkraft von Menschen ist schon lange nicht mehr erforderlich: Seit Jahrzehnten bringen Maschinen die Glocken in Schwingung und die Hämmer zum Schlagen.

Das Crowd-Funding ist zu finden unter www.bergische-schaffen-mehr.de. Das Projekt heißt „Glockenreparatur – lass Wülfrath läuten“.

Der Glockenstuhl, der die Glocken trägt, hat Mängel. Pfarrer Thomas Rehrmann und Baukirchmeister Manfred Hoffmann schauen hindurch. Foto: Kling