Dreimal Rainer Ritsche: Der Kandidat für das Wülfrather Bürgermeisteramt startet in den Wahlkampf. Foto: Kling

Wülfrath. Rainer Ritsche kandidiert für das Bürgermeisteramt in Wülfrath. Ein Portrait von Hans-Joachim Kling:

Wir treffen uns im „Platz 1“. Draußen spielen sie auf roter Asche. Auf der Terrasse sitzen Frauen und Männer, essen was und trinken ein Feierabendbier. Das Restaurant des Tennisclubs Ford Wülfrath hat einen kleinen Saal. In den hat der Mann, der Bürgermeister in Wülfrath werden will, die Presse eingeladen: Rainer Ritsche.

Ford gibt es schon lange nicht mehr in Wülfrath, jetzt schließt der x-te-Nachfolger, Knorr- Bremse, den Betrieb. Der Tennisclub aber heißt weiter „Ford“. Die Anfänge des Clubs sollen nicht vergessen werden. Das „Platz 1“ ist bekannt für seine Schnitzelküche. Hier ist alles bodenständig. Familiär. Möglich, dass das ein Umfeld ist, in dem der Kandidat sich wohlfühlt.

Dass er überhaupt Kandidat ist, hat ja schon etwas gedauert. Als Bürgermeisterin Claudia Panke bekanntgab, nicht mehr zur nächsten Wahl anzutreten, haben viele Ritsche bedrängt. „Woher wissen Sie das?“, fragt Rainer Ritsche.

Gut, es gab Stammtische, bei denen Wetten abgeschlossen wurden: Macht er es oder macht er es nicht? Dass die SPD Ritsche angesprochen hat, war auch nicht direkt das bestgehütete Geheimnis der Stadt. Und die Bürgermeisterin selbst soll ihren Stellvertreter auch ordentlich bedrängt haben. Aber vielleicht waren das ja auch nur alles Gerüchte…

Gewonnen haben jedenfalls diejenigen, die auf „er macht es“ gesetzt haben: Am 18. Mai hat Rainer Ritsche bekanntgegeben, dass er zur Wahl des Bürgermeisters in Wülfrath antreten wird. Als unabhängiger Kandidat. Stunden später nur ließen SPD und die Wählergemeinschaft „Wülfrather Gruppe“ wissen: Wir unterstützen Ritsche.

Vorgesehen war die Kandidatur nicht. Hätte sich Dr. Claudia Panke wieder zur Wahl gestellt, Ritsche wäre geblieben, was er ist: Kämmerer und Allgemeiner Stellvertreter der Bürgermeisterin. Vorgesehen war ja auch das schon nicht.

Vor einem Jahr einstimmig als Beigeordneter und Kämmerer wiedergewählt

Die ersten 24 Jahre seines Berufslebens hat Rainer Ritsche beim Kreis Mettmann gearbeitet. Im April 2010 wurde er vom Kreis „abgeordnet“: Als Kämmerer sollte er sich um die Finanzen der kleinsten Stadt im Kreis Mettmann kümmern.

Gut ein Jahr später hat der Wülfrather Stadtrat den Mann vom Kreis zum Kämmerer gewählt. Und zum ersten Beigeordneten. Acht Jahre später, ziemlich genau vor einem Jahr, ist Rainer Ritsche einstimmig wiedergewählt worden. Und dann das: Nun wollten einige, dass er auch noch als Bürgermeister kandidiert.

Eine Frau bekennt offen, dass sie den heute 54-jährigen bedrängt hat: Silke Volz-Schwach. Die – nach eigenen Angaben – „Ur-Wülfratherin“ war bis Ende 2017 Leiterin des Bürgermeisterbüros im Wülfrather Rathaus. Hier haben die beiden sich kennengelernt. „Du musst das machen“, hat sie Ritsche zugeredet. Heute ist sie das, was Rainer Ritsche „meine Wahlkampf-Fee“ nennt.

Warum er sich dafür entschieden hat zu kandidieren? „Weil Wülfrath eine Art zweites Zuhause geworden ist“, sagt Rainer Ritsche. Weil er – in anderer Funktion – die begonnene Arbeit weiterführen wolle. Weil er „Mehrheiten schaffen will für gute Ideen.“ Egal woher sie kommen, „Hauptsache sie sind gut für die Stadt“.

Deshalb sei es für ihn auch besonders wichtig, als unabhängiger Kandidat anzutreten. Er möchte, falls er denn Bürgermeister werde, „mit allen gut weiterarbeiten, wie bisher.“

So ein Lebensprojekt verlässt jemand wie Rainer Ritsche nicht

Er weiß, dass sie dem Hildener Ritsche vorhalten werden, nicht in Wülfrath zu wohnen. Das wird er auch künftig nicht. Er hat in Hilden sein Elternhaus umgebaut, in dem er mit Frau, Tochter und Sohn lebt. Seit 2008 wird das Haus mit einer Geothermie-Wärmepumpe beheizt. Seit März hat er eine Photovoltaik-Anlage auf dem Hausdach. So ein Lebensprojekt verlässt jemand wie Rainer Ritsche nicht, „um eine Wohnung in Wülfrath zu beziehen“.

Überhaupt verbringe er ja ohnehin die meiste Zeit in Wülfrath, „zumindest die wache“, sagt er. Und dann, irgendwie nebenbei, erzählt er auch noch, was ihn antreibt: Dass es „Spaß macht“. Als Kämmerer habe er den Überblick über das gesamte Stadtgeschehen, wenn es um den Antrag eines Tennisclubs oder einer Fußballschule gehe. „Das hat immer mit Kohle zu tun“, sagt Ritsche.

Aber Ritsche möchte nicht sein Wissen als hauptamtlicher Kämmerer im Wahlkampf einsetzen. Das ist für ihn etwas, das sich nicht gehört.

Fairness ist für ihn wichtig, gerade auch im Umgang mit den anderen Kandidaten. Und eine Materialschlacht wird es von ihm sowieso nicht geben: „Keine Kugelschreiber, keine Flaschenöffner“, erklärt er fast entschuldigend. Außerdem trage er ja „finanziell alles komplett selbst“.

Einen Flyer verteilt er mit den für ihn wichtigsten Botschaften. Der ist so groß, dass er in die Hosen- oder Handtasche passt. Und eigentlich erzählt er ja auch über das Programm, das er mit Silke Volz-Schwach aufgeschrieben hat. Von der „Neuen Mitte Wülfrath“, wie der Parkplatz Am Diek als Parkplatz verschwinden und als „Wohlfühlmitte“ zum Krappsteich geöffnet werden könnte.

Von mehr bezahlbaren Wohnraum, verbesserten Straßen, Geh- und Radwegen. Und vielem mehr.

Dass hier nicht so viel von alldem steht, liegt nicht an ihm, sondern am Verfasser. Wer mehr darüber wissen will, findet das auf der Homepage www.rainer-ritsche.de. Die Seite ist aber noch im Aufbau, betont er. Sie soll Schritt für Schritt ergänzt werden. Da arbeitet er mit Freunden dran. Man sei aber noch nicht so weit wie beispielsweise die CDU. Deren Seite findet er „toll“.

Dass Rainer Ritsche mit der Entscheidung gezögert hat, als Bürgermeister zu kandidieren, liegt in seinem Wesen. „Eigenmarketing ist etwas, was mir nicht so gut liegt“, sagt er. Da muss er jetzt dran arbeiten. Und so geht er raus in die Stadt, um an den Samstagen seinen Flyer zu verteilen und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. An diesem Samstag soll es losgehen, vor der Sparkasse.

Im Ford-Tennisclub an der Röntgenstraße stellt er sich den Fotografen vor dem „Roll-Up“ mit seinem Bild vor einer Blumenwiese. Sein Ziel? „In die Stichwahl kommen“, sagt er. Alles andere wäre schon enttäuschend.

Wenn es nicht klappen sollte mit der Wahl zum Bürgermeister? Dann bleibe er eben Kämmerer und Beigeordneter in Wülfrath. Und Stellvertreter von wem auch immer.

Rainer Ritsche ist – auch akustisch – kein Laut-Sprecher. Aber so leise er auch wirkt: Beim Wahlergebnis dürfte es aus seiner Sicht am Ende schon gerne „Platz 1“ werden.