Schlagen Alarm: Sylvia Broekmann und Gerhard Schönberg von der Bergischen Diakonie. Foto: Kling

Kreis Mettmann. Die Bergische Diakonie schlägt Alarm: In ihren Alten- und Pflegeheimen fehlen Leute, Betten werden nicht mehr belegt, die Mitarbeiterschaft „geht auf dem Zahnfleisch“.

Eigentlich ist die Nachfrage nach Betten in Alten- und Pflegeheimen groß, weiß Gerhard Schönberg. Aber dennoch lässt die Bergische Diakonie überall in ihren Einrichtungen Betten leer stehen. „Etwa 14 Prozent“, sagt der kaufmännische Geschäftsführer. Und für den Kaufmann allein ist das schon schlecht: Es fehlen Einnahmen. Darum soll es heute aber nicht gehen. Sondern um die Lage der Mitarbeiterschaft.

„Unsere Leute gehen auf dem Zahnfleisch“, sagt Sylvia Broekmann. Urlaube werden verschoben, freie Tage nicht genommen, die Kräfte schieben Schichten „elf, zwölf Tage am Stück“. Die Leiterin des Altenhilfe-Verbundes bei der Diakonie erklärt, wie das kommt: Grundsätzlich sei die Personalsituation in allen Pflegeeinrichtungen schon extrem angespannt. Dazu kommen jetzt noch Ausfälle durch Urlaub, „normale“ Krankheiten und obendrauf die Corona-Sommerwelle.

„Wir machen uns nicht mehr so viele Sorgen um unsere Bewohner“, sagt Sylvia Broekmann, weil es kaum noch schwere Verläufe gebe. Sorge bereite der Diakonie heute vor allem die Überlastung der Beschäftigten. Manche kämen aus ihrem Urlaub, um die Versorgung der Menschen in den Einrichtungen sicherzustellen.

Petra Weihsenbilder, Einrichtungsleiterin zweier Häuser der Diakonie in Wülfrath-Aprath, beschreibt, wie es den Beschäftigten geht: „Sie sind wütend, sauer, verzweifelt, erschöpft. Die Nerven liegen blank.“ Am liebsten möchte sie Betten auf die Straße schieben, denn ihr fehlen die Bilder, die die Gesellschaft aufregen und vielleicht wachrütteln würden, diesen Notstand endlich wahrzunehmen. So wie die Schlangen an den Flughäfen, die Kofferberge.

Die Bergische Diakonie betreibt zwölf Einrichtungen, hauptsächlich im Kreis Mettmann. 850 Menschen werden von den Pflegekräften betreut, in der Regel, denn aktuell werden freie Betten wegen des Notstandes ja nicht wieder belegt.

Die Lage sei überall in Deutschland ähnlich, berichtet Geschäftsführer Schönberg. „Wir kommen alleine nicht weiter.“ Corona-Prämien seien zwar schön für die, die sie bekommen, „aber auch damit kann man das Problem nicht lösen. Wir brauchen mehr Köpfe, mehr Hände.“

Kurzfristig könnte vielleicht etwas erreicht werden, wenn die „Überregulierungen“ abgebaut würden, hofft Sylvia Broekmann. Schließlich mache der Verwaltungsaufwand bis zu 40 Prozent der Arbeit aus.

Hürden abbauen, das ist auch die Forderung von Geschäftsführer Schönberg. Die Arbeit in der Pflege in Deutschland müsse dringend attraktiver werden. Das gelte nicht nur für die Bezahlung, aber auch.

Wenn sich jemand dafür entscheide, die nächsten Jahrzehnte diesen Beruf machen zu wollen, dann dürfe es so nicht weitergehen. Aktuell müssten aus Sicht des Geschäftsführers der Bergischen Diakonie die Attraktivität so erhöht und die Hemmnisse abgebaut werden, „dass die Leute freiwillig kommen, die bei uns in Deutschland arbeiten wollen.“

Corona habe die ohnehin dramatische Lage nur noch erheblich verschärft, macht Schönberg deutlich. Dass die Zahl der alten Menschen und damit der Pflegebedürftigen zunehmen werde, sei „seit 30 Jahren bekannt“.

„Wir stoßen auch überall auf Verständnis“, erläutert Schönberg aus vielen Gesprächen in den vergangenen Jahren. Aber es ändere sich einfach nichts.

Anderswo würden Flüge gestrichen, Züge fielen aus. Aber Pflegeeinrichtungen könnten eben nun mal nicht einfach geschlossen werden. Die Bergische Diakonie möchte die Öffentlichkeit aufrütteln, über die „unzumutbaren Zustände“ informieren. Und sie hofft, endlich mehr zu erreichen als nur Verständnis.