Die Wahl ist gelaufen. Jetzt geht es darum, aus den Zahlen den Wählerauftrag herauszulesen. Foto: Mathias Kehren

Ein Kommentar zu den Ergebnissen der Bundestagswahl von Hans-Joachim Kling:

Die Politik redet nach einer Wahl gerne davon, welchen Auftrag ihr die Wählerinnen und Wähler gegeben. Dabei geben die Wahlergebnisse ihr meist einen breiten Spielraum zur Interpretation. Und so kommt es auch nach dieser Bundestagwahl 2021 dazu, dass verschiedene Modelle diskutiert werden, die als neue Regierung in Frage kommen könnten. Aber vielleicht sollten die Akteure einmal kurz innehalten und den viel zitierten Wählerauftrag hinterfragen: Ist da irgendwo abzulesen, dass Armin Laschet Kanzler werden soll?

Man kann ja verstehen, dass Laschet und die CDU regieren wollen. Das ist – wenn man so will – in der politischen DNA von CDU und CSU festgeschrieben. Und man kann ja durchaus zu der Auffassung kommen, dass Armin Laschet Ungerechtigkeit widerfahren ist, dass seine politische Leistung, seine Fähigkeiten nicht wirklich gewürdigt werden. Aber kann man irgendwie zu dem Ergebnis kommen, dass Armin Laschet Kanzler werden soll?

Man kann zu dem Ergebnis kommen, dass es rechnerisch möglich ist. Dass es vielleicht auch die bessere Lösung politisch für das Land wäre. Aber der Wille der Wählerinnen und Wähler wäre das jedenfalls nicht.

Das Wahlergebnis ist genau so, weil die Menschen eben nicht Armin Laschet als Kanzler haben wollen. Das Wahlergebnis ist auch so, weil die Menschen nicht Annalena Baerbock als Kanzlerin haben wollten. Auch das kann man politisch schade finden, aber auch daran lässt der Wählerwille sicherlich keine Zweifel.

Man kann Verständnis haben, dass Grüne und FDP möglichst viel von ihren politischen Positionen in einem neuen Bündnis verwirklicht sehen wollen. Und dass sie sich deshalb erst einmal alle Optionen offenhalten wollen.

Aber blicken wir noch einmal auf den Wählerauftrag: Wie wollen die Grünen jemals ihren Wählerinnen und Wählern erklären, wenn sie am Ende doch den Wahlverlierer Armin Laschet zum Kanzler machen wollen?

Christian Lindner hat davon gesprochen, dass fast 75 Prozent der Wähler am Ende nicht die Partei des künftigen Kanzlers gewählt haben werden. Er hat natürlich nicht davon gesprochen, dass am Ende fast 90 Prozent nicht die FDP gewählt haben.

Eine Mehrheit dagegen findet sich immer, vor allem wenn man noch die mitzählt, die gar nicht gewählt haben. Vielleicht führt diese Sicht- und Rechenweise ja zu mehr Demut bei den politisch Handelnden. Und zu der Erkenntnis, dass sie künftig zusammenarbeiten müssen, in verschiedenen und wechselnden Koalitionen. Dass genau das ihr Auftrag für die nächsten Jahrzehnte sein wird.

Demut dürfte Wahlsieger SPD ja in den vergangenen Jahren mehr als gelernt haben. Denn auch für sie gilt neben dem Wunder, das Olaf Scholz für sie vollbracht hat: Etwas mehr als 25 Prozent sind keine neuen Willy-Brandt-Zeiten.

Wer den Willen der Wählerinnen und Wähler ernst nehmen will, der kann nur zu dem Schluss kommen, dass die Mehrheit Olaf Scholz als Kanzler sehen will. Genau deshalb ist das Wahlergebnis wie es ist. Und deshalb kann es mit einer neuen Regierung aus SPD, Grünen und FDP – faktisch drei Wahlsiegern – eigentlich viel schneller gehen als alle erwarten. Auch wenn gerade das gute FDP-Ergebnis viel mit dem Schlechten der CDU zu tun haben dürfte.

Neben der Demut könnte ja auch die Lehre aus der Geschichte bei der Regierungsbildung helfen. Denn das Land wäre ja in den letzten Jahren schon von einer Dreier-Koalition regiert worden, wenn die nicht letztlich am Ausstieg der FDP gescheitert wäre. Die Lehre der Geschichte wäre: Wenn wir es auch diesmal nicht schaffen zusammenzukommen, gibt es am Ende wieder eine große Koalition – oder was davon übriggeblieben ist.