Haben keine guten Nachrichten: Gerd Diestler und Marcus Stimler von der IHK. Foto: Kling

Kreis Mettmann. Die wirtschaftliche Lage im Kreis Mettmann ist so schlecht wie seit 15 Jahren nicht mehr, ausgenommen die Corona-Zeit. Zu diesem Ergebnis kommt die Industrie- und Handelskammer in ihrer Herbstumfrage.


Knapp 210 Unternehmen haben die Möglichkeit genutzt, auf die Fragen der Kammer zur aktuellen Geschäftslage und zu den Erwartungen zu antworten. Diese Umfrage macht die IHK zweimal im Jahr und kann aus den Ergebnissen ihre Schlüsse zur gegenwärtigen Konjunktur ziehen und die mit früheren Ergebnissen vergleichen.

Vor zwei Jahren beispielsweise waren die Erwartungen der Unternehmen auf dem Tiefpunkt angekommen, die Geschäftslage damals aber noch gar nicht so schlecht. Das ist jetzt umgekehrt. Jetzt ist die Geschäftslage sehr schlecht, dafür sind die Erwartungen nicht mehr ganz so negativ, wenn auch noch lange nicht gut.

Gerd Helmut Diestler, Chefvolkswirt der IHK, zieht daraus die Hoffnung, dass der Tiefpunkt erreicht sein möge. Das sei aber auch schon so ziemlich das Beste, was aus den Zahlen herauszulesen sei.

Die Kammer spricht von einer „Industrie-Rezession“. Das macht auch deutlich, warum die Ergebnisse im Kreis Mettmann noch schlechter sind als in anderen Bereichen der IHK Düsseldorf. Die Industrie ist vor allem im Nordkreis stark vertreten und somit Träger der wirtschaftlichen Entwicklung, während beispielsweise in Düsseldorf der Bereich Dienstleistung deutlich im Vordergrund steht.

Und im industriellen Bereich sind viele Zulieferer offenbar von der aktuellen Krise der Automobilindustrie betroffen. Aber auch der Hochbau ist stark ins Minus abgerutscht, wofür IHK-Mann Diestler die Zinsentwicklung zusammen mit der Inflation verantwortlich macht, die zusammen die Baukosten so nach oben getrieben hätten, dass die Nachfrage eingebrochen sei.

Das sind konjunkturelle Faktoren, die dazu beigetragen haben, dass der „seit zwei Jahren anhaltende Abstieg“ sich weiterfortgesetzt habe. Dazu kommen aus Sicht der IHK aber sogenannte „strukturelle Defizite“. Bei der Energiewende seien beispielsweise ökonomische Aspekte weitgehend nicht berücksichtigt worden. Massive Verspätungen bei Zügen und sanierungsbedürftige Brücken nannte Diestler als Beispiele für massive Defizite bei der Infrastruktur.

Alles zusammengenommen sei es also auch nicht verwunderlich, dass die Wirtschaft kurzfristig keine Trendwende erwarte. Was also ist tun? Die Frage beantwortet Marcus Stimler, Leiter der IHK-Zweigstelle in Velbert so: „Die Unternehmen wollen zuverlässige Rahmenbedingungen, mehr Planungssicherheit, weniger Bürokratie.“ Das sei immer wieder in den Gesprächen zu hören gewesen. Unternehmen kämen auch mit widrigen Bedingungen zurecht. Sie hätte aber vor allem einen Wunsch: „Dass sie uns einfach mal machen lassen.“

Hier die vollständige Mitteilung der IHK im Wortlaut:

Herbst-Konjunktur im Kreis Mettmann: Strukturelle und konjunkturelle Belastungen sorgen für Industrie-Rezession
Düsseldorf, 28. Oktober 2024. Die IHK Düsseldorf veröffentlicht heute ihre Herbst-Konjunkturumfrage für den Kreis Mettmann. Diese zeigt, dass sich die wirtschaftliche Lage im Kreis im Verlauf der Sommermonate weiter verschlechtert hat. „Damit setzte sich der bereits gut zwei Jahre andauernde Abstieg weiter fort“, beschreibt IHK-Volkswirt Gerd Helmut Diestler die Ergebnisse der IHK-Herbstumfrage. Zwischen Mitte September und Ende Oktober 2024 haben sich knapp 210 Betriebe mit zusammen gut 19.000 Beschäftigten aus dem Kreis Mettmann an der Umfrage beteiligt.
Mittlerweile beurteilen die Betriebe aus Industrie, Bau, Handel und Dienstleistungen ihre Geschäftslage so kritisch, wie mit Ausnahme des Tiefpunkts in der Coronakrise im Sommer 2020 seit 15 Jahren nicht mehr. Aktuell gibt nur noch ein Anteil von 14 Prozent aller Betriebe an, sich in einer guten Geschäftslage zu befinden. Im Frühjahr waren es noch 20, zu Jahresbeginn 25 Prozent. Umgekehrt berichten jetzt 39 Prozent von einer schlechten Lage, nach zuvor 29 und 26 Prozent.
„Im Jahresverlauf 2024 überlagerten sich immer mehr strukturelle und gleichzeitig konjunkturelle Belastungen der Wirtschaft“, so Diestler weiter. Strukturell sind das die enormen Herausforderungen im Transformationsprozess hin zu einer umfassenden Nachhaltigkeit, internationale Abschottungstendenzen, die Exporte immer schwieriger machen, immer noch hohe Energiepreise sowie verschlechterte Standortbedingungen, etwa durch die marode Verkehrsinfrastruktur. Konjunkturell schwächeln sowohl die Inlands- als auch die Auslandsnachfrage. Zudem belastet die deutsche Wirtschaftspolitik mehr als sie Orientierung gibt. Europas Kurs ist nach der Europawahl unklar, ob es bei ihrer eher wirtschaftsfeindlichen Umwelt- und Energiepolitik bleibt, oder ob sie auf einen Kurs einschwenkt, der stärker ökonomische Mechanismen berücksichtigt.
„Dieses Konglomerat an Belastungen hat zu einer fast durchweg negativen Entwicklung der wirtschaftlichen Kennzahlen im Kreis Mettmann geführt“, analysiert der IHK-Volkswirt. Die Auftragseingänge in Industrie und Bauwirtschaft sind auf breiter Front rückläufig, besonders ausgeprägt in der Vorleistungsgüterindustrie und der Bauwirtschaft. Der produktions- wie konsumorientierte Großhandel verzeichnet deutlich Umsatzrückgänge, der Einzelhandel immerhin merklich weniger ausgeprägt. Logistiker sind durch die geringer nachgefragten Transportleistungen ihrer industriell-gewerblichen Kunden betroffen.
„Maschinen und Ausrüstungen der Industriebetriebe sind mittlerweile dramatisch schlecht ausgelastet,“ zitiert Diestler die aktuellen Umfrageergebnisse. Sie liegt jetzt mit 72½ Prozent
in etwa auf dem Niedrigst-Niveau zu den Höhepunkten der Lehman- (2009) und der Corona-Krise (Sommer 2020). Besonders kritisch ist die Auslastung der Vorleistungsgüterproduzenten mit nur noch 68 Prozent. Das sind nochmal 5 beziehungsweise 7½ Punkte weniger als die bereits schlechten Werte zu Jahresbeginn beziehungsweise vor Jahresfrist. Die Bauwirtschaft konnte ihre Auslastung, trotz weiterhin niedriger Wohnungsbaunachfrage, zwar sogar um etwa 7 Punkte steigern, bleibt dennoch mit 78 Prozent deutlich unter dem langjährigen Durchschnitt.
Angesichts dieser Marktentwicklung und der Vielzahl an Belastungen und Risiken ist es nicht verwunderlich, dass die Wirtschaft im Kreis Mettmann kurzfristig nicht mit einer Trendwende rechnet. „Schon gar nicht erwartet sie einen Aufschwung“, betont Diestler. Dass sie immerhin keine weitere Verschlimmerung befürchtet, ist sicherlich nach gut zwei Jahren Abwärtstrend auch mit einem Gewöhnungseffekt zu erklären. So liegt der Erwartungsindikator aktuell mit minus 3½ Punkten nur noch knapp im negativen Bereich. Im Frühjahr sind es noch minus 10½, zu Jahresbeginn minus 23½ Punkte gewesen.
Ganz vorne bei den Risiken für die weitere Geschäftsentwicklung im kommenden Jahr 2025 stehen aktuell die Sorgen der Wirtschaft im Kreis Mettmann um die Entwicklung der Nachfrage ihrer inländischen Kunden (70 Prozent aller Betriebe).
An zweiter Stelle rangieren ihre Sorgen um die Entwicklung der Arbeitskosten. Fast jeder zweite gibt diese zu Protokoll. Über 60 Prozent sind es bei den Industriebetrieben. Mit nahezu gleichen Anteilen (47 und 46 Prozent) werden an dritter und vierter Stelle das Risiko einer ausreichenden Versorgung mit Fachkräften sowie die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen genannt.
„Immerhin sollen die Investitionen im Kreis Mettmann nicht mehr weiter zurückgehen, wenn es nach den Planungen der Betriebe insgesamt geht“, findet Diestler einen kleinen Lichtblick. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings das niedrige Ausgangsniveau, nach mehrfachen Rückgängen in den Vorjahren. Auch gilt das keineswegs für alle Betriebe und alle Branchen gleichermaßen. Da auch die Absatz- und Umsatzerwartungen im Inland rückläufig und aus dem Ausland nur ausgeglichen sind, lassen sich nachfrageseitig daraus dennoch kaum Konjunkturimpulse ableiten.
Schließlich überwiegen bis auf in der Bauwirtschaft in allen Wirtschaftsbereichen leicht beziehungsweise in der Industrie deutlich die Betriebe, die im kommenden Jahr mit verringerter statt mit zunehmender Personalstärke auskommen wollen oder müssen. „Das ist noch nicht dramatisch, denn immerhin zwei von drei Betrieben wollen ihr Personal konstant halten. Aber, der Arbeitsmarkt auch im Kreis Mettmann spannt sich weiter an“, so Diestler abschließend.