Wülfrath. Das Museum „Zeittunnel“ in Wülfrath wird 20 Jahre alt. Zur Eröffnung am 1. April bietet es jetzt auch eine „Zeitreise“ an: Mit einer 3D-Brille geht es in den Schutzbunker am Bochumer Bruch im Jahr 1942.
Der Tunnel selbst ist mehr als 100 Jahre alt. Er entstand in den Jahren 1920/21 und ist 160 Meter lang. Durch ihn wurde Kalkstein aus dem Steinbruch „Bochumer Bruch“ mit Schmalspureisenbahnen zu den Öfen zum Brennen transportiert.
Vor 20 Jahre eröffnete die Stadt Wülfrath hier den sogenannten Zeittunnel, einen „erdgeschichtlichen Erlebnisparcours“, der nur in den Monaten des Sommerhalbjahres geöffnet hat.
2020, 100 Jahre nach dem Bau des Tunnels, hat die Stadt Wülfrath den Betrieb des Tunnels an die eigens dafür gegründete Genossenschaft „Zeittunnel Wülfrath e.G“ übergeben. Und die hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte des Tunnels aufzuarbeiten. Genau dabei ist ein Schutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg wiederentdeckt worden.
Es fühlt sich wackelig an. Wo bin ich? Ich habe erstmals eine 3D-Brille auf. Und stehe plötzlich mitten in dem Bunker. Das ist eine völlig neue Erfahrung. Das ist nicht mehr Illusion, das ist real. Meint jedenfalls mein Gehirn.
Der Schutzbunker, so hat es die Genossenschaft herausgefunden, muss Anfang der 1940er Jahre gebaut worden sein. Durch Zeitzeugen ist die Nutzung ab 1942 belegt. Die ersten Bomben auf Wülfrath und Velbert fielen 1941. Das Ruhrgebiet war wichtiges Ziel für die Alliierten, weil dort 70 Prozent der Rüstungsindustrie ansässig waren. Das berichtet die Genossenschaft in einem Heft, das sich mit der Geschichte des Tunnels und des Schutzbunkers befasst.
Ich stehe im Besprechungsraum der Sparkasse, wo das Projekt vorgestellt wird. Oder nein, ich stehe mittendrin im Bunker. Menschen sitzen und stehen um mich herum. Ich kann mich drehen und sehe den Bunker hinter mir, neben mir.
Den Bunker haben die neuen Betreiber mit der Übernahme entdeckt. Zwei Zugänge befanden sich im Zeittunnel, der damals noch nicht so hieß. Einer davon ist 2003 geöffnet worden. Bis dahin befand sich die Bunkeranlage 55 Jahre im „Dornröschenschlaf“, wie es im Heft dazu heißt.
In dem wiederentdeckten Bunker konnten etwa 100 Mensch Schutz finden bei Bombenalarm. Die Anlage ist bergmännisch gebaut worden. Ein Erwachsener konnte dort problemlos stehen. Zwei Eingänge gab es wegen der Sauerstoffversorgung, damit die Menschen – meist Zwangsarbeiter aus dem Bruch – nicht erstickten. Es gab einen Kohlekochofen mit sechs Brennstellen und einem Rauchabzug.
Über die Geschichte des Schutzbunkers (und des Zeittunnels) haben Dr. Martin Fornefeld, Dr. Ulrich Becker und Andrea Gellert ein Heft herausgegeben und dazu Zeitzeugen befragt. „Wenn die massive Stahltüre geschlossen wurde, war nichts mehr zu hören“, schildert beispielsweise Willi Störing, der damals zehn Jahre alt war. „Die Einrichtung war spartanisch, Sitzgelegenheiten mussten mitgebracht werden.“
Heute wäre es zu teuer, den Bunker für den Publikumsverkehr herzurichten, erklärt Martin Fornefeld, Vorstand der Genossenschaft. So sei die Idee entstanden, eine 3D-Führung durch den Bunker – zusammen mit einer „Zeitreise“ – anzubieten.
Das Wülfrather Unternehmen „4Dsurvey“ von Niklas Dominicus und Philipp Sonntag hat – kostenlos für die Genossenschaft – per Laserscanning Aufnahmen von dem Bunker gemacht. Die Düsseldorfer Firma „Pointreef“ hat daraus eine „Virtual Reality Begehung“ zusammengestellt. Zwei 3D-Brillen wurden angeschafft.
10.000 Euro hat das Projekt insgesamt gekostet, erzählt Martin Fornefeld. Bürgermeister Rainer Ritsche dankt ausdrücklich allen Sponsoren, die es möglich gemacht haben: Neben den genannten sind das die Kulturförderung des Kreises, die Kreissparkasse Düsseldorf und die Firma Lhiost.
Am 1. April startet die neue Saison, öffnet der „Zeittunnel“. Zwei Euro kostet die „Zeitreise“ mit der 3D-Brille. Das Heft über die Geschichte von Tunnel und Bunker ist für vier Euro erhältlich.
Es sind keine realen Menschen mit Gesichtern, die neben mir stehen und sitzen. Es sind Figuren, Konturen. Zum Glück, denn sonst würde es wohl etwas gruselig, weil zu realistisch. Zeitreisen sind also doch möglich. Das muss ich unbedingt noch einmal machen.
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…ist seit mehr als vier Jahrzehnten journalistisch in der Region unterwegs. Stammt aus einer Zeit, in der noch mit Schreibmaschinen gearbeitet wurde und Filme in einer Dunkelkammer entwickelt werden mussten. Macht heute Fotos mit dem „Handy“ und seit mehr als zehn Jahren auch Zeitung „online“. Und kommt aus dem Staunen über all dies nicht heraus …