Ratingen. Rund um das Oberschlesische Landesmuseum entbrennt ein Streit an der Spitze der Stiftung.
Das Oberschlesische Landesmuseum ist eine der bekannten Sehenswürdigkeiten in Hösel und hat nicht zuletzt aufgrund der Geschichte der Spätaussiedler Strahlkraft für ganz Nordrhein-Westfalen. Über 600.000 Aussiedler leben in NRW, viele von ihnen entlang des Rheins und der Ruhr. Was letztlich mit dem Ratinger Museum geschehen wird, hängt maßgeblich von der Entscheidung über Fördergelder ab, die Mitte November durch den Bundestag in der Haushaltsbereinigungssitzung getroffen werden könnte.
Als sei die unsichere Zukunft des Oberschlesischen Landesmuseums für Stiftung, Vorstand und Beschäftigte noch nicht Qual genug, kommt nun durch einen Streit auf der Spitzenebene noch Chaos hinzu.
Melanie Mehring, Stiftungsrat der Stiftung Haus Oberschlesien, teilte am Dienstag mit, man fordere einen Runden Tisch, um über die Zukunft des Landesmuseums zu sprechen. Daran teilnehmen sollen unter anderem Landesministerin Ina Brandes und Bundesbeauftragter Bernd Fabritius. “Dieses Format bietet die Chance, den Gordischen Knoten in der aktuellen verfahrenen Situation um das Oberschlesische Landesmuseum zu durchschlagen und den Weg zu einvernehmlichen Entscheidungen zu ebnen”, so Mehring. Die Debatte habe inzwischen eine polarisierende Wirkung bis weit in die Öffentlichkeit in Deutschland und Polen entfaltet, die “nun in sachlichere Bahnen gelenkt werden muss”. Die Zielsetzung ist nachvollziehbar, aber es hakt trotzdem: So wolle man am Ende der Debatte eine Entscheidung präsentieren, die man gegenüber der interessierten Öffentlichkeit guten Gewissens vertreten könne. Die Öffentlichkeit wiederum dürfte – selbst bei anhaltendem Interesse – den Geschehnissen inhaltlich inzwischen kaum mehr folgen können.
Mit der Idee des Runden Tisches reagierte der Stiftungsrat in seiner Sitzung vom 22. Oktober auf einen vorherigen Beschluss des Stiftungsvorstandes, das Oberschlesische Landesmuseum bei einem ungünstigen haushaltspolitischen Ergebnis abzuwickeln. Genau diese Beschlussfassung beanstandete der Stiftungsrat nun abermals, brachte zugleich den Vorschlag über die Debatte an gemeinsamen Tisch hervor, um die Zukunft zu thematisieren. Der Rat möchte letztlich den Betrieb am jetzigen Standort fortsetzen und die Dauerausstellung neugestalten. Die Option eines Umzuges der Sammlung in das Ruhr Museum nach Essen solle man nicht weiter verfolgen, immerhin würde die Finanzierung auch bei einem Verbleib in Hösel nicht automatisch eingestellt werden, wie Melanie Mehring die Ansicht von Vertretern des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft der Landesregierung Nordrhein-Westfalen wiedergibt. Dort habe man “in mehreren Sitzungen zudem ausdrücklich verneint, dass die Finanzierung eingestellt werde, falls das Oberschlesische Landesmuseum nicht in das Ruhr Museum umziehe”.
Der Vorstandsvorsitzende Sebastian Wladarz zeigte sich jüngst verwundert ob der Beschlussfassung des Stiftungsrates. Die sei bereits formell nichtig, weil schon eine Tagesordnung mindestens an Sebastian Wladarz selbst nicht versandt worden sei. “Ich gehe daher schon deswegen davon aus, dass der Vorstandsbeschluss weiterhin gilt”, so Wladarz. “Alles andere würde die Satzung aushebeln, denn in seiner letzten Sitzung hat der Vorstand die Beanstandung des Stiftungsrates klar zurückgewiesen. Dabei ist er allerdings dem Stiftungsrat entgegengekommen, für den Fall, dass der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages entsprechend beschließt. Insofern ist eine erneute Beanstandung nicht statthaft und verstößt gegen die Satzung. Die Mehrheit des Vorstandes wundert sich daher über eine Meldung, die aus unserer Sicht nicht der Wahrheit entspricht.”
Am 30. Oktober legte der Stiftungschef nach, veröffentlichte eine persönliche Erklärung, in der es unter anderem heißt: “Der Vorschlag des Stiftungsrates, einen Runden Tisch einzuberufen, ist allerdings insofern unehrlich und vergiftet, als dass dieser zuvor wohl zugestimmt hat, dass ein Vorstandskollege zum letzten Vorstandsbeschluss die Gerichte einschaltet. Wer also die höchste Eskalationsstufe zündet und Gerichte bemüht, schlägt für gewöhnlich die Tür zu einem Ausgleich zu.”
Nach Meinung von Sebastian Wladarz gehe es inzwischen nicht mehr ein Ringen um die Sache und im Zukunftssinne der Stiftung, sondern “um eine Fundamentalopposition”.
“Das Recht auf diese Klärung will ich dem Vorstandskollegen nicht absprechen. Es erschließt sich mir dennoch nicht, warum dann nicht schon im Vorfeld des Beschlusses vom September 2024 der Vorschlag gemacht wurde, etwaige Bedenken im Hinblick auf die Satzung juristisch klären zu lassen”, so der Stiftungschef. Dem Stiftungsrat wirft Wladarz vor, dieser beschreite schon seit längerer Zeit einen eigenen Weg, ohne die Abstimmung mit der Vorstandsmehrheit zu suchen. “Er agiert für die Stiftung, ohne dafür explizit einen Satzungsauftrag zu haben. Das trägt nicht unbedingt dazu bei, das Miteinander zu verbessern. Ob es der Stiftung dienlich ist, bleibt fraglich. Die Entscheidung, den Rechtsweg zu bestreiten ist insofern ein trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung. Dann müssen aber jetzt eben die Gerichte entscheiden, obwohl es milde Mittel gegeben hätte, zunächst die Stiftungsaufsicht zu bemühen, der ich alle Unterlagen zugestellt habe”, so Wladarz. Der Stiftungschef verweist auf zu erfüllende Bedingungen für einen Standorterhalt – und die seien im letzten Vorstandsbeschluss zum Ausdruck gekommen. Es bedürfe jedenfalls eines neuen rechtlich-strukturellen und wirtschaftlich tragfähigen Fundaments der Stiftungsarbeit.
“Mir tun nur die Mitarbeitenden Leid, welche die Leidtragenden des mittlerweile über ein Jahr dauernden Prozesses sind”, so Sebastian Wladarz.


