Velbert. Der Zustand des evangelischen Friedhofs in Neviges sorgt anhaltend für Diskussionen. Angehörige sind verärgert – die Gemeinde sagt, sie tue ihr Möglichstes.
In Neviges rumort es: Grund dafür ist der Zustand des evangelischen Friedhofs. “Alles ist verdreckt, vergammelt und gefährlich”, ärgert sich Nicole Uebing. Die Nevigeserin kümmert sich um das Grab ihrer Mutter – zehn Jahre beträgt die Laufzeit für die Stätte noch. Genau das sorgt für Unmut. “Das Grab läuft, alles ist bezahlt – nur passiert hier nichts, aber kassiert wird sofort”, so Uebing. Mit einer Unterschriftensammlung hatte die 55-Jährige auf das Problem aufmerksam gemacht. Inzwischen haben rund 600 Menschen sich an der Petition beteiligt. Zwischenzeitlich berichtete sogar das Fernsehen. Und es tat sich etwas, zumindest im unteren Bereich des Friedhofs. Das hat auch Nicole Uebing mitbekommen, aber es reicht ihr nicht: “Das Gröbste wird gemacht, sonst nichts”. Vor allem in den höhergelegenen Bereichen tue sich so gut wie gar nichts. “Ich habe eine sagenhafte Wut auf die Kirche”, so Uebing. Grünschnitt, Schutt, Knochenstücke, marode Wege – die Nevigeserin hat die ausgemachten Friedhofsbaustellen mit Fotos und Videos dokumentiert.
Für die angeführten Gründe der Gemeinde – es sind unter anderem drückende Kosten – hat Uebing sogar Verständnis, nicht aber dafür, dass in einigen Bereichen des Friedhofs eben “gar nichts passiert”. In der Gemeindeverwaltung kennt man das Problem und es ist kein neues: “Die Kritik am Friedhof gibt es schon in wechselnder Intensität seit Jahrzehnten”, so Baukirchmeister Martin Straßen. “Die Unterhaltung war schon immer ein großes Thema, in früheren Jahren sind regelmäßig nur laufende Pflegemaßnahmen durchgeführt worden, ohne dabei langfristige Maßnahmen oder mögliche Zukunftsprobleme zu beseitigen”. Straßen nennt beispielsweise morsche Bäume, zu große Hecken oder Maßnahmen zur Wege- und Treppenunterhaltung. Angehörigen könne man nur immer wieder versuchen zu erklären, dass die Gemeinde ihr Möglichstes tue, um eine langfristige Perspektive für den Friedhof zu entwickeln.
Gemeinde: Friedhofsfläche ist viel zu groß
“Sofern allerdings die finanziellen Mittel immer weniger werden, müssen wir auch unsere Entscheidungen danach ausrichten. Die Fläche des Friedhofes ist leider viel zu groß, schon vor 20 Jahren hätte man keine Gräber mehr wahllos auf dem Friedhof vergeben dürfen, sondern gezielt kleinere Flächen anstreben müssen”, erklärt Martin Straßen. Das sei nun ein sehr teures Versäumnis früher Friedhofsgärtner und eine nicht funktionierende Kontrolle beauftragter Unternehmen durch die entsprechenden Gremien. Versäumtes wolle man aufarbeiten, aber das gehe nicht in kurzen Zeiträumen, sondern wird “sehr lange dauern”. Fortschritte habe es bereits gegeben: “Wer sich wirklich inhaltlich mit diesem Friedhof und seinen ganzen Randbedingungen auseinandersetzt, der wird erkennen, dass wir nun auf einem guten Weg sind, aber in vielen Bereichen leider noch sehr viel Wegstrecke vor uns liegt”, so der Baukirchmeister.
Was in den Ohren einiger Angehöriger kaum wie eine gute Nachricht klingen dürfte: “Eine Verkleinerung des Friedhofes bedeutet aber auch, heute damit anzufangen Teilbereiche weniger zu pflegen und andere dafür weiter zu entwickeln”, so Straßen. Ein neues und deutlich einfacher zu erreichendes Urnenfeld sei gerade in der Fertigstellung, „Waldgräber“ im obersten Teil des Friedhofes würden zukünftig über nur noch einen Weg erreichbar sein. Marode Treppen werden zurückgebaut, nicht mehr notwendige Wegeflächen werden entsiegelt. Augenmerk wird zukünftig die Verwaltung nun auf die Einhaltung der Pflichten zur Pflege von Gräbern legen”, hieß es.
Nicht alle Probleme sind hausgemacht: “Die Kosten, welche der Gemeinde in der Vergangenheit entstanden sind und noch entstehen, dass Angehörige abgelaufene Gräber nicht abgeräumt haben, fehlen bei der Pflege der Wege und Rasenflächen”, mahnt Straßen. “Wo es noch rechtlich möglich ist, werden die Angehörigen angeschrieben und wir werden gemeinsam eine Lösung finden. Es gibt immer Gründe, warum jemand seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, wir sind hier zum Gespräch bereit”. Die Verwaltung hat eine umfangreiche Aufarbeitung angekündigt und für die Zukunft eine deutliche und klare Struktur in die Entwicklung des Friedhofes in der Zusammenarbeit mit der Gemeinde versprochen.
Derzeit entstehen der Gemeinde vertragliche Kosten von rund 100.000 Euro jährliche für die Pflege. Diese würde im jahreszeitlich unterschiedlichen Turnus erbracht. “Im Regelfall ist die Firma alle 14 Tage auf dem Friedhof und bearbeitet dann entsprechend die vorher definierten Flächen. Im Sommer werden die Mülltonnen und Körbe entsprechend häufiger geleert”, so Martin Straßen. “Im Herbst stehen dann wieder größere Rückschnitt und Rodungsmaßnahmen an.” Die Verkehrssicherung auf dem Friedhof sei ebenfalls ein Thema: Wenn es eine Gefahrenstelle gebe, so werde diese beseitigt, oder entsprechende Stellen würden gesperrt. “Die obersten Treppen sind in einem schlechten Zustand, allerdings besteht hier nicht unbedingt eine Gefahr. Um hier aber vorbeugend tätig zu werden, werden diese zukünftig gesperrt”, erklärt man seitens der Gemeindeverwaltung. Wirklich gefährliche Stellen seien nicht bekannt. “Sicherlich gibt es in Sachen Bequemlichkeit und Komfort unterschiedliche Wahrnehmungen und der oberste Teil des Friedhofes ist schon sehr speziell und sicherlich nicht für eingeschränkte Menschen einfach zu erreichen, das trifft für diese Fläche allerdings seit 100 Jahren unverändert zu”, so der Baukirchmeister.
Und die baufällige Treppe als Aufgang zur Kapelle? “In der unmittelbaren Zukunft wird die Haupttreppe saniert, die Entwässerung instandgesetzt und Wegeflächen repariert”, macht Martin Straßen Hoffnung.
Angehörige und Pflegende aktueller Erdgräber sowie auch die Gemeinden befinden sich in einer Zwickmühle: Benötigten Friedhöfe vor einigen Jahren noch viel Platz, so ist das heute nicht mehr der Fall. Der demografische Wandel ist auch beim Bestattungswesen zu spüren. Urnengräber lösen die klassische Sargbestattung ab – letztlich gewinnen Gemeinschaftsgrabstätten immer mehr an Bedeutung, wie der Deutsche Städte- und Gemeindebund erklärt: “Grabstätten, die nur geringe oder sogar gar keine pflegerische Fürsorge benötigen und dennoch ein würdevolles, individuelles Gedenken ermöglichen, werden auf absehbare Zeit nur attraktiver für die Menschen werden”, hieß es in einer Auseinandersetzung mit dem modernen Bestattungswesen in den Kommunen.