Die Besuchergruppe hat unter anderem das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen besucht. Foto: Carsten Becher
Die Besuchergruppe hat unter anderem das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen besucht. Foto: Carsten Becher

Velbert. Die Landsmannschaft Schlesien hat eine Woche der Begegnung organisiert: Vom 12. bis 17. Oktober sind 30 Schüler und Studenten aus Gleiwitz (Gliwice) und Hindenburg (Zabrze) mitsamt Betreuern für das Seminar „Deutsche und Polen – Europäische Nachbarschaft 2025“ in Velbert – und in der Region – zu Gast gewesen. 


Das kulturelle Leben und die deutsche Sprache sollten die 30 jungen Menschen aus dem Nachbarland Polen durch das vom Bundesinnenministerium geförderten Bildungsprogramms kennenlernen. Seminarleiter Joachim Karwoczik ist selbst ein Beispiel dafür, wie polnische und deutsche Kultur zusammenwachsen: der heute 85-Jährige wurde in Beuthen geboren – seine Geburtsstadt gehört 1940 zu Deutschland, fünf Jahre später fiel “Bytom” allerdings als Teil Schlesiens unter die polnische Verwaltung. Der pensionierte Geschichtslehrer spricht offen über die Ziele des Seminars, vor allem bezogen auf die Spannungen in Osteuropa: “Wir haben den Waldfriedhof mit seinen Kriegsgräbern besucht. auch sowjetische Soldaten liegen dort – zwischen russischen und ukrainischen gab es keinen Unterschied. Und jetzt?” Ob das auch in Polen ein Thema sei? “Ja”, sagt Karwoczik. “Die Westukraine gehörte mal zu Polen”. Deutschlands Nachbarland orientiert sich an westlichen Werten, die gemeinsame Geschichte soll nicht bloß Mahnung, sondern Appell sein: “Versöhnung und Verzeihung – solche Projekte können dabei helfen”, so Joachim Karwoczik.

Für die Schüler und Studenten aus Polen werden Geschichte und Kultur vor allem durch Ausflüge in der Region erlebbar: In Velbert trifft man auf Jugendliche aus der Stadt, in Ratingen-Hösel geht es für einen Rundgang durch das Oberschlesische Landesmuseum, in Essen stand ein Besuch der Hindenburger Heimatsammlung im Haus der Geschichte der Stadt Essen auf dem Programm. Bei einem Besuch des Kölner Doms und der Narrenstadt am Rhein ging es darum, nach “schlesischen Spuren im Rheinland” zu suchen.

Das Interesse an Deutschland sei bei den Schülern groß, verrät Deutschlehrerin Anna Kentnowska. “Viele Schüler möchten die deutsche Sprache sehr gern lernen”. Zwei Stunden pro Woche gibt es in Polen den Fremdsprachenunterricht. Oft auch Interesse, nicht zwingend, um beruflich Fuß zu fassen, so Kentnowska, die insgesamt 18 Schüler begleitet. “Sie lernen die Kultur kennen und die Zusammenarbeit – das ist eine tolle Erfahrung”. Was polnische und deutsche Jugendliche besonders unterscheide? Die Antwort darauf zu finden, fiel weder den Schüler noch Anna Kentnowska leicht. “Vielleicht ist die polnische Jugend offener”, so die Deutschlehrerin.

Begeistert von der Aktion zeigt sich auch Sebastian Ksiazek, Vertreter der deutschen Minderheit aus Hindenburg. “Typisch deutsch” und “traditionell” – das seien beispielsweise die Adventszeit, der Tag der Deutschen Einheit oder das Oktoberfest. All diese Traditionen pflege die deutsche Minderheit in Polen, so Ksiazek. “Wir haben das im Blut”, sagt er. Über 30 Aktive zähle allein sein Kreis im oberschlesischen Hindenburg. “Wir treffen uns, diskutieren, sprechen Deutsch, leben die Bräuche”. Das stamme vor allem von den Eltern und Großeltern.

Geschichte und Kultur von Nachbarn

In Ratingen-Hösel konnten die jungen Menschen viel über Deutschland und Polen - und die gemeinsame Geschichte der beiden Länder - erfahren. Foto: Carsten Becher
In Ratingen-Hösel konnten die jungen Menschen viel über Deutschland und Polen – und die gemeinsame Geschichte der beiden Länder – erfahren. Foto: Carsten Becher

Unter der Leitung von Joachim Karwoczik, Bundesgeschäftsführer Damian Spielvogel und dem Bundesjugendbeauftragten der Landsmannschaft Tobias Schulz widmeten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in Vorträgen, Diskussionen und Exkursionen den historischen, kulturellen und gesellschaftlichen Aspekten der deutsch-polnischen Nachbarschaft. Gerade Oberschlesien mit seiner zweisprachigen Bevölkerung ist für die grenzüberschreitende Arbeit der Vertriebenenverbände – vor allem der Landsmannschaft Schlesien – und vor allem für das gegenseitige Verständnis von Deutschen und Polen in Europa besonders geeignet.

“Das Seminar bot den Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Gelegenheit, Spuren der gemeinsamen Geschichte von Deutschen und Polen im Westen Deutschlands zu entdecken und den europäischen Gedanken der Verständigung weiter zu vertiefen”, freut sich Bundesgeschäftsführer Damian Spielvogel von der Velberter Landsmannschaft.