Explosion in einem Hochhaus: Der Ort des Vorfalls an der Berliner Straße in Ratingen. Foto: Polizei
Explosion in einem Hochhaus: Der Ort des Vorfalls an der Berliner Straße in Ratingen. Foto: Polizei

Ratingen. Nach der Detonation in einer Wohnung in einem Hochhaus an der Berliner Straße laufen die Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat. Polizei und Staatsanwaltschaft haben für den Nachmittag eine Pressekonferenz anberaumt. 


Die Behörden in Düsseldorf führen das Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft wertet das Geschehen als versuchte Tötung. Unklar ist weiterhin die Motivlage.

Am Donnerstagvormittag kam es zu einer verheerenden Explosion in einer Wohnung im zehnten Obergeschoss in dem Hochhaus – für die ausgerückten Kräfte schien der Einsatz in Ratingen-West zunächst reine Routine zu sein. Um kurz nach 10.30 Uhr rückten Ratingens Retter und Beamte der Polizei aus, weil eine hilflose Person in einer verschlossenen Wohnung gemeldet wurde.

Als die Feuerwehr die Wohnungstür von außen öffnen wollte, soll die Tür plötzlich von innen von einem Mann geöffnet worden sein, das berichtete noch am Donnerstagabend die Düsseldorfer Polizei. Unmittelbar danach kam es offenbar zu der Detonation. Im weiteren Verlauf soll der Mann, bei dem es sich Behördenangaben zufolge um einen 57-Jährigen handelt, ein Feuer in den Räumlichkeiten gelegt haben. Für die Einsatzkräfte erschwerte das die Aufklärungsmaßnahmen in der Wohnung. Für die Stadt Ratingen wurde laut Feuerwehr um 11.18 Uhr ein Großalarm ausgelöst.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) informierte kurz nach dem Vorfall den Innenausschuss des Landtags: Der Minister gab an, die Wohnungsgesellschaft des Hochhauses hätten die Einsatzkräfte gerufen, weil man einen überquellenden Briefkasten bemerkte habe. Die Düsseldorfer Polizei bestätigte, man habe sich sorgen um eine „hilflose Person“ gemacht.

Durch die Explosion wurden mehrere Einsatzkräfte verletzt, einige schwer, teils sogar lebensgefährlich. Nach Angaben der Polizeibehörden seien eine 25 Jahren alte Beamtin und ein 29 Jahre alter Polizeibeamter lebensgefährlich verletzt worden. 22 weitere Einsatzkräfte hätten leichte Verletzungen davongetragen. Von den Einsatzkräften der Feuerwehr seien sieben verletzt worden, davon drei lebensgefährlich und vier schwer.

Die Ratinger Feuerwehr teilte aktuell mit, dass sich fünf Einsatzkräfte im künstlichen Koma befänden. Teilweise hätten die Verletzten Verbrennungen von bis zu 40 Prozent der Körperoberfläche erlitten. Versorgt werden die Einsatzkräfte in Spezialkliniken in Köln, Duisburg, Dortmund, Düsseldorf und Bochum.

Zustand der Einsatzkräfte „nicht gut“

NRW-Innenminister Reul gab in einem Interview im WDR2 an, er habe zwar keine neuen Erkenntnisse, was er über den Zustand der Verletzten wissen, klinge jedoch „nicht gut“.

Unklar sind die Tathintergründe und das mögliche Motiv. Nach der Stürmung der Wohnung durch Spezialeinsatzkräfte sei eine weibliche Leiche gefunden worden. Laut Deutscher Presse-Agentur sei die Person bereits länger tot gewesen. In den Räumen solle eine Frau mit ihrem 57 Jahren alten Sohn gelebt haben. Medienberichten zufolge solle es sich bei ihm um Frank P. aus Ratingen handeln.

Ob es sich bei der Toten um die Mutter des 57-Jährigen handelt, ist noch nicht bestätigt.

Zunächst hieß es seitens des Innenministers, der Mann hätte sich „im Corona-Leugner-Umfeld gedanklich aufgehalten“. Gesichert ist das bislang nicht. Es könne sich laut NRW-Innenminister auch um eine Namensverwechslung gehandelt haben. Sicher ist hingegen, dass der 57-Jährige kriminalpolizeilich in Erscheinung getreten ist offenbar wegen kleinerer Delikte. Reul bestätigte zudem gegenüber der Zeitung „Kölner Stadtanzeiger“ einen vorliegenden Vollstreckungshaftbefehl nach einer ausgebliebenen Strafzahlung nach einer Verurteilung wegen Körperverletzung.

Die Ermittlungen zu den Hintergründen des Geschehens sowie zur Identifizierung der Frau und den Umständen ihres Todes dauern an. Staatsanwaltschaft und Polizei haben für den Nachmittag eine Pressekonferenz terminiert, womöglich werden dann weitere Ermittlungsdetails und Informationen zu der Explosion in Ratingen herausgegeben.

Bislang ist unklar, ob die Einsatzkräfte absichtlich in einen Hinterhalt gelockt worden waren. Ratingens Bürgermeister Klaus Pesch kommentierte: „Sollte es wirklich eine Falle gewesen sein, ist das an Hinterhältigkeit nicht zu überbieten.“

Der genaue Tatablauf wird von den Behörden derzeit ermittelt, erschwert wird das allerdings durch die Feuerlegung in der Wohnung. Spezialisten sollen die Wohnräume am heutigen Freitag untersuchen, zunächst habe man das Löschwasser beseitigen müssen, wie die Polizei gegenüber der Deutschen Presse-Agentur angab.

Kritik kam noch am Donnerstag seitens der Kreispolizeibehörde allerdings an den Videoveröffentlichungen auf den Social-Media-Kanälen auf: „Wir sind auf Social-Media-Videos aufmerksam gemacht worden, in denen zu sehen ist, wie unsere zum Teil schwerstverletzten Kolleginnen und Kollegen behandelt werden“, so die Polizei. Das Teilen derartiger Inhalte solle man unterlassen, womöglich könne man sich damit sogar strafbar machen.

Das Entsetzen nach dem Vorfall ist groß. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schrieb: „Ich bin tief erschüttert über die Nachrichten von der Explosion in Ratingen. Meine Gedanken sind bei den verletzten Einsatzkräften, die um ihr Leben ringen.“ Sie habe in Absprache mit NRW-Innenminister Reil „jede mögliche Unterstützung vom Bund zugesagt“. Auch auf lokaler Ebene ist die Bestürzung groß. Ratingens Bürgermeister erklärte, seine Gedanken seien bei den Rettungskräften. Die Feuerwehren aus der Region drücken ihre Bestürzung, aber auch Unterstützung zahlreich in den Sozialen Medien aus.

Die Kreispolizeibehörde kommentiert: „Dass unser Einsatz für Bürgerinnen und Bürger in Notlagen, aber nun offenbar hinterhältig ausgenutzt wurde, um Leib und Leben der Einsatzkräfte von Feuerwehr, Rettung und Polizei zu bedrohen, entsetzt, schockiert und macht zutiefst fassungslos“. In dieser Tragweite habe es bislang Aggressionen gegen Einsatzkräfte im Kreis Mettmann nicht gegeben, so die Behörde.

Inzwischen wurde ein Spendenkonto bei der Polizeistiftung „David + Goliath“  eingerichtet. Dort werden Gelder für die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr und deren Familien gesammelt:

  • Sparkasse Mülheim an der Ruhr
  • IBAN: DE57 3625 0000 0300 1420 01
  • BIC: SPMHDE3EXXX
  • Verwendungszweck „Ratingen“