Rüdiger Welsch engagiert sich für die Ukraine-Hilfe. Foto: privat
Rüdiger Welsch engagiert sich für die Ukraine-Hilfe. Foto: privat

Heiligenhaus. Nach einer einwöchigen Rennrad-Etappenfahrt im Rahmen des „Bike Convoi for Ukraine“ ist der Heiligenhauser Rüdiger Welsch wieder zu Hause angekommen – erschöpft, mit Schlafdefizit und einem völlig verdreckten Fahrrad aber voller tiefer und bleibender Eindrücke und Erfahrungen, die ihn ein Leben lang begleiten werden.


Die Strecke des von einer kleinen Gruppe Münchener Rennradfahrer initiierten Konvois führte von München über Österreich, Tschechien die Slowakei und Polen bis in die Ukraine, nach Lwiw. Begleitet wurden die rund 60 Radfahrer des Konvois von 14 gebrauchten Krankenwagen, welche durch Spenden der Teilnehmer, insbesondere von Firmen aus der Fahrradindustrie beschafft wurde. Diese Fahrzeuge an Rettungseinheiten in der Ukraine zu übergeben war das Ziel aller Teilnehmer.

Die ersten beiden Etappen über jeweils 150 Kilometer absolvierten die auf der Münchener Theresienwiese gestarteten Radfahrer bei strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen. Zusammen mit den Fahrern der Krankenwagen wurde sie in den Etappenorten Eggenfelden und Leonding von den örtlichen Rotariern sowie dem Roten Kreuz herzlich empfangen und bewirtet. Doch dann wurde die weitere Fahrt sehr viel herausfordernder. Es folgten drei Etappen von jeweils rund 250 Kilometern.

Die Temperaturen sanken auf 13 Grad und es regnete unaufhörlich. Wie unbedeutend alle diese Widrigkeiten letztlich sind, wurde Welsch bewusst, als die Etappe von Přerov in Tschechien nach Krakau direkt am Konzentrationslager Auschwitz vorbeiführte. „Im grauen Nieselregen wirkte dieser Ort nochmals düsterer“, erinnert sich Welsch. „Ich war von der Größe des KZs überwältigt und hätte gerne länger am Ende der Gleise vor dem Eingangstor verharrt und dies auf mich wirken lassen. Als ich aber in der nassen Kälte immer stärker zitterte, musste ich weiterfahren.“

Die vorletzte Etappe über  253 Kilometer führte von Krakau bis Przemyśl an der polnisch-ukrainischen Grenze. Das Wetter zeigte sich etwas gnädiger, es regnete nur noch den halben Tag. Am darauffolgenden Tag kam dann die Sonne wieder hervor und begleitete die Radfahrer über die abschließenden 100 km nach Lwiw in der Ukraine ebenso wie ein Streifenwagen der ukrainischen Polizei. Die kommenden 30 Stunden in dieser wunderschönen historischen Stadt stellten sich als so emotional herausfordernd heraus, wie die gesamte Fahrt zuvor es körperlich war.

Luftangriff: Wenig Schlaf

Übergabe der Krankenwagen vor dem Rathaus Lwiw. Foto: privat
Übergabe der Krankenwagen vor dem Rathaus Lwiw. Foto: privat

Die Aussicht der Gruppe auf die erste erholsame Nacht mit ausreichendem Schlaf in einem Hotel in der Innenstadt wurde jäh durch einen russischen Luftangriff unterbrochen: Um 2 Uhr nachts mussten die Hotelgäste in den Keller des Hotels vor den heranfliegenden russischen Drohnen und Raketen flüchten und verbrachten dort drei Stunden. In jener Nacht wurden in Lwiw sieben Menschen verletzt, als ein Wohnhaus in Schutt und Asche gelegt wurde.

Am Samstag wurden die mit dem Konvoi überführten Rettungsfahrzeuge vor dem historischen Rathaus von Lwiw an Einheiten der ukrainischen Streitkräfte und den Zivilschutz übergeben. Die Fahrzeuge werden nun im Osten des Landes eingesetzt, um verletzte Soldaten von der Front sowie Zivilisten in den bombardierten Städten zu evakuieren und so täglich das Leben von durchschnittlich fünf Menschen zu retten. Die Lebensdauer der Fahrzeuge beträgt meist jedoch nur vier bis sechs Monate, da sie bevorzugte Ziele des russischen Militärs sind.

Nach der Übergabe der Fahrzeuge stand dann alles still. Ein Trauerzug mit Leichenwagen hielt vor dem Rathaus, gefolgt von Angehörigen und Trauergästen in Bussen. In der belebten Innenstadt verharrten alle Passanten, knieten nieder und erwiesen den Gefallenen der vergangenen Tage gemeinsam die letzte Ehre. Eine einzelne Trompete erklang und erfüllte den Platz mit einer eindringlichen Melodie, die Trauer und Dankbarkeit zugleich ausdrückte. Die Atmosphäre war von tiefer Ergriffenheit geprägt und ließ niemanden unberührt.

Anschließend ließ das Bürgermeisteramt von Lwiw es sich nicht nehmen, den Konvoi-Teilnehmern die Schönheit und Geschichte der Stadt im Rahmen eines kleinen Rundgangs näher zu bringen. Dieser endete an einem von sechs Marsfeldern, auf denen seit Kriegsbeginn gefallene Soldatinnen und Soldaten bestattet werden. Über jedem Grab wehen eine ukrainische Fahne und die Fahne der jeweiligen Brigade. Alle Gräber sind liebevoll gepflegt. Bilder zeigen die so jung verstorbenen Menschen. Mütter, Ehefrauen und -männer und deren Kinder stehen schweigend vor den Gräbern ihrer Angehörigen. Dies sowie die schiere Größe des Feldes hat Rüdiger Welsch zutiefst erschüttert.

Ein weiterer bewegender Moment war der anschließende Besuch im Unbroken Center, dem größten Behandlungs- und Rehabilitationszentrum für Kriegsversehrte in der Ukraine mit 3.700 Betten. Das Zentrum wurde in kürzester Zeit durch Umbau und Erweiterung eines Krankenhauses nach modernsten Standards errichtet. Dort begegneten die Radfahrer vielen jungen Menschen, meist zwischen 18 und 40 Jahren, mit schwersten Verletzungen und Traumata. Fast alle haben ein oder mehrere Gliedmaßen verloren und anschließend bis zu 50 Operationen überstanden.

Was Rüdiger Welsch neben all diesen schmerzhaften Eindrücken besonders in Erinnerung blieb, war die außerordentliche Dankbarkeit für die Rettungswagen und das Engagement aller Konvoi-Teilnehmer sowie die Botschaft der Ukrainer: „Wir verteidigen nicht nur uns und unser Land, sondern auch Freiheit und Demokratie in Europa“ betonte ein Sprecher. „Die Ausdauer, die ihr mit dem Radkonvoi bewiesen habt, ist unglaublich. Doch ohne Fahrräder hättet ihr es nicht geschafft, genauso wie wir ohne Eure nachhaltige Unterstützung nicht bestehen können. Für uns alle gilt: Aufgeben ist keine Option!“

Insgesamt legte Rüdiger Welsch knapp 1.400 Kilometer in acht Tagen zurück. Da er vorab um „Kilometer-Spender“ geworben hatte, konnte dadurch rund 4.000 Euro Spenden für „Heljens hilft Ukraine“ sammeln. „Mit diesem Geld ermöglichen wir unserer Ukrainischen Partnerorganisation Don Calabria den weiter Betrieb von deren inklusiven Kinder- und Jugendzentrum in Dobropilja, nicht weit von der Front“. Die mit Abstand größte Einzelspende kam vom Lions Club Velbert-Heiligenhaus. „Neben dem Lions Club kommen sämtliche Spenden aus meinem Freundeskreis und von mir selbst. Ich würde mir eine bereitere Unterstützung der Heiligenhauser Bürgerschaft wünschen“.

Deshalb ruft Welsch erneut zum Mitmachen auf. „Wir suchen bei ‚Heljens hilft Ukraine‘ engagieren oder spenden. Jede Hilfe zählt.“

Der Kontakt zu „Heljens hilft Ukraine“ ist über info@heljenshilftukraine.de möglich. Für Spenden an Heljenshilftukraine stellt der Förderverein des Stadtmarketings Heiligenhaus weiterhin sein Konto bei der Kreissparkasse Düsseldorf zur Verfügung: IBAN: DE40 3015 0200 0018 0020 22, Verwendungszweck: „Ukraine-Hilfe“.