Das DIVI-Intensivregister listet die Kapazitäten in den Krankenhäusern auf. Foto: Volkmann
Das DIVI-Intensivregister listet die Kapazitäten in den Krankenhäusern auf. Foto: Volkmann

Düsseldorf. Ab heute gelten die neuen Leitlinien für die Bewertung der Coronavirus-Lage. Die Landesregierung stellt nun nicht mehr ausschließlich auf die Inzidenz ab.

Die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz, also die Anzahl der Fälle der Coronapatienten im Krankenhaus pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen, und die Auslastung der Intensivbetten werden fortan als weitere Leitfaktoren für die Bewerbung der Corona-Lage herangezogen. Ignoriert wird die Corona-Inzidenz aber nicht: die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen bleibt als Kennzahl relevant.

Zuvor hatte das Land NRW bereits den als Grenzwert für bestimmte Maßnahmen festgeschriebenen Wert von 35 bei der 7-Tage-Inzidenz gestrichen. Statt Regelungen auf Basis von Grenzwerten werde das „Zusammenwirken der verschiedenen Indikatoren etwa unter Berücksichtigung des Impfstatus, der Altersverteilung für Hospitalisierungswahrscheinlichkeiten oder die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Krankenhauseinweisung und später erforderlicher Intensivbehandlung“ in den Fokus gesetzt. Damit reagiere man in NRW auf die aktuelle Stabilisierung der Werte aller relevanten Indikatoren.

Die Landesregierung stellt jedoch klar: "Die inzwischen bekannte 3G-Regelung, die aufgrund dieses Grenzwertes seit Anfang August landesweit für den Zugang zu bestimmten Veranstaltungen und Einrichtungen gilt, bleibt aufgrund des aktuellen Infektionsgeschehens auch unter Berücksichtigung der neuen Leitindikatoren bis auf weiteres unverändert bestehen."

Die aktuelle Fassung der Coronaschutzverordnung gilt nun bis zum 8. Oktober: "Damit kann rechtzeitig vor den Herbstferien das Infektionsgeschehen neu bewertet werden", so die Landesregierung.

"In Nordrhein-Westfalen stabilisieren sich derzeit die relevanten Indikatoren, allerdings auf einem nicht unkritischen Niveau", mahnt Gesundheitsministerin Karl-Josef Laumann angesichts der aktuellen Corona-Lage in NRW. "Nach allen Prognosen von Expertinnen und Experten, aber auch nach meiner persönlichen Überzeugung, stehen nicht geimpften Menschen im Herbst besondere Gefährdungen bevor."

Laumann weiter: "Wenn wir dann die von vielen vorhergesagte ‚Pandemie der Ungeimpften‘ bekommen, können für diese Personen neue Schutzmaßnahmen erforderlich werden. Die gute Botschaft ist aber: Jede und jeder hat es selbst in der Hand, sich durch eine Impfung zu schützen. Auf Basis aller bisherigen Daten, die uns vorliegen, sind neue Einschränkungen für geimpfte und genesene Personen absehbar nicht erforderlich und rechtlich auch nicht vertretbar."

Leitlinien zur Corona-Bewertung

Zu den drei als Leitlinien herangezogenen Faktoren erläutert die Landesregierung:

7-Tage-Hospitalisierung

Die Zahl misst, wie viele infizierte Personen pro 100.000 Einwohner innerhalb der letzten sieben Tage ins Krankenhaus aufgenommen wurden. Sie ist damit ein Indikator für die Zahl der schweren Krankheitsverläufe und kann einen frühen Hinweis auf eine drohende Überlastung des Gesundheits- und Krankenhaussystems geben.

Für den Hospitalisierungsindikator werden in Nordrhein-Westfalen zwei Werte ausgewiesen: Erstens der anhand der Vorgaben des RKIs berechnete Wert. Dieser beruht auf den Meldungen der Gesundheitsämter, die den bereits von ihnen gemeldeten Infektionsfällen nachträglich die namentlichen Einweisungsmeldungen aus den Krankenhäusern zuordnen. Dieser Wert ist vor allem bedeutsam, weil er bundesweit einheitlich errechnet wird und damit eine bundeseinheitliche Bewertung des Infektionsgeschehens ermöglicht. Allerdings erfordert der Wert eine Einzelfallbearbeitung jedes Infektionsfalles durch die Gesundheitsämter, die gerade in der aktuellen Belastungssituation manchmal erst nach einigen Arbeitstagen abgeschlossen ist.

Um zusätzlich einen aktuelleren Hinweis auf die Hospitalisierungen zu ermöglichen, wird zweitens zusätzlich der Hospitalisierungsindikator ausgewiesen, der sich unmittelbar aus den täglichen (nicht namentlichen) Gesamtmeldungen der Krankenhäuser über die Aufnahme von Covid-19-Patienten im Informationssystem Gefahrenabwehr NRW (IG NRW) ergibt. Dieser Wert ermöglicht eine sehr aktuelle Einschätzung, weicht aber naturgemäß von dem RKI-basierten Wert ab und wird am gleichen Meldetag jedenfalls in Perioden eines ansteigenden Infektionsgeschehens in der Regel höher liegen.

COVID-Anteil an der Intensivkapazität

Dieser Indikator bildet die Belastung der Intensivstationen ab und steht damit unmittelbar für das Risiko einer Überlastung dieser medizinischen Versorgungsstrukturen. Der Anteil, mit dem Covid-19-Patientinnen und -Patienten die intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten auslasten, wird durch die Zahl der neu aufgenommenen Patienten bestimmt, sie ist aber auch abhängig von der Dauer der notwendigen Hospitalisierung (Liegezeit) und der (personellen) Aufwände bei der Behandlung.

Anhand des Grades der Auslastung der Intensivstationen können Schutzmaßnahmen vor allem so ausgerichtet werden, dass andere erforderliche medizinische Behandlungen (schwere Operationen etc.) nicht aufgrund einer Überlastung der Bettenkapazitäten verschoben werden müssen.

Die Berechnung erfolgt auf Basis der Daten aus dem Register der Fachgesellschaft der Intensivmediziner (DIVI) als Prozentanteil der Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen an den betreibbaren Erwachsenen-Intensivbetten. Auch hier ist durch den Rückgriff auf das DIVI-Register eine Vergleichbarkeit mit den Bundeswerten gegeben.

7-Tage-Inzidenz

Auch die bereits bekannte 7-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen bleibt ein wichtiger Indikator. Steigt dieser Wert, bedeutet das, dass sich die Infektion schneller und breiter in der Bevölkerung ausbreitet. Insbesondere die altersbezogenen Inzidenzen sind nach wie vor ein guter Maßstab dafür, in welchem Ausmaß vulnerable Bevölkerungsgruppen betroffen sind.

Anhand der Inzidenz kann die Wirksamkeit von Corona-Schutzmaßnahmen relativ zeitnah abgelesen werden. Zudem bleibt die 7-Tage-Inzidenz ein guter Indikator dafür, in welchem Maß eine Kontaktpersonennachverfolgung noch möglich ist. Die 7-Tage-Inzidenz ist darüber hinaus ein wichtiger Frühindikator für das Geschehen in den Krankenhäusern.