Velbert. Wenn Bäume fallen, ist der Ärger bei Bürgerinnen und Bürgern meist groß und nicht selten schalten sich auch Naturschutzorganisationen ein. So geschehen ist das im Rahmen von Fällmaßnahmen im Bereich Oberbonsfeld, an denen der Velberter Ortsverein des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland deutlich Kritik äußerte.
Im ländlicheren Raum fallen Veränderungen an den Naturlandschaften meist deutlicher auf als in bebauten Stadtarealen. Wenn Bäume fallen, fürchten Bürgerinnen und Bürger um Naherholungsgebiete – inzwischen jedoch auch um die Natur und das Klima. Das Bewusstsein für den Schutz der Wälder ist gewachsen, man ist sensibilisiert für die möglichen Folgen. Nicht zuletzt legen Engagierte aus Naturschutzverbänden den Finger immer dann in die Wunde, wenn es zu umfangreichen Baumfällen gekommen ist. Von einem „Raubbau in heimischen Wäldern“ spricht der Velbert BUND-Vorstand Carsten Haider. Er kritisiert die inzwischen beendeten Arbeiten in Nierenhof.
Massiv ist im Bereich des Felderbachtals gefällt worden – „auf mehr als 700 Meter Länge“ hätten „schwere Harvester“ den Waldrand zerstört, kritisiert Carsten Haider. Bis auf rund 100 Meter habe man das Gebiet planierraupenmäßig zusammengeschoben. Damit seien nicht nur die großen Bäume gefällt, sondern auch das Erdreich verdichtet worden. Gebüsche, Unterholz und junge Zukunftsbäume habe letztlich man „rücksichtslos gerodet“.
Hinter den Arbeiten steckt eine Erbengemeinschaft aus Herne. Die betroffene Waldfläche befindet sich somit in Privatbesitz, was die gesamte Angelegenheit komplizierter macht. Es kommt auf den Umgang der Eigentümer mit den Flächen an. Behörden können präventiv kaum tätig werden, denn: „Das Landesforstgesetz NRW stellt Holzeinschläge grundsätzlich nicht unter einen Genehmigungsvorhalt“, wie Fachgebietsleiter Hermann Fröhlingsdorf vom Landesbetrieb Wald und Holz NRW auf Nachfrage erklärt. Die Behörde müsse vor der Einschlagsplanung nicht in Kenntnis gesetzt werden.
Erst ab einer Freigrenze von zwei Hektar Flächengröße entstehe eine Genehmigungspflicht durch die Regelungen aus dem Landesforstgesetz. Darüber hinaus verlangen die rechtlichen Regelungen vom Waldeigentümer: „Der Wald ist im Rahmen seiner Zweckbestimmung ordnungsgemäß und nachhaltig zu bewirtschaften. Der Waldboden und seine Fruchtbarkeit sind zu erhalten; die Ertragskraft darf nicht beeinträchtigt werden.“
Das Problem: „Für die Behörde zeigen sich solche Grenzverletzungen aber immer erst, wenn die Fakten schon erfüllt sind“, so Fröhlingsdorf.
Forstliche Festsetzungen sind nach dem Landesnaturschutzgesetz „nur in ausgewiesenen Naturschutzgebieten und geschützten Landschaftsbestandteilen zulässig“. Das betroffene Gebiet zähle allerdings nicht dazu, so Wald und Holz. Immerhin löst der Kahlschlag eine Pflicht aus: „Kahlflächen und stark verlichtete Waldbestände sind innerhalb von zwei Jahren wieder aufzuforsten oder zu ergänzen“, so der Hinweis von Hermann Fröhlingsdorf. Carsten Haider, der sich für das Wohl der Velberter Kommunalwälder einsetzt, sieht hier jedoch Probleme: Auf Schneisen, die von Harvestern befahren worden seien, würde etwa 30 bis 40 Jahre kein Baum mehr wachsen.
Auch hier setzt der Velberter BUND-Vorstand jedoch mit seiner Kritik an: „Es ist nicht auszuschließen, dass solche verantwortungslosen Eigentümerinnen und Eigentümer sich sogar dann noch zukünftig eine Aufforstung aus Steuergeldern fördern lassen –
für sie eine Win-win-Situation – für die Natur und das Kleinklima vor Ort eine Katastrophe – und auch ebenso für die Erholungsuchenden, denn dieser ehemalige Waldbereich liegt inmitten der Elfringhauser Schweiz, die überregional von großer Bedeutung ist“, so Carsten Haider.
Die sogenannte Brut- und Setzzeit kann die Fällungen ebenfalls schwer stoppen: Das Forstrecht kenne keine zeitlichen Einschränkungen von Forstarbeiten, erklärt der Fachgebietsleiter. Aus dem Naturschutzrecht hingegen können sich Einschränkungen ergeben, was allerdings der Feststellungskompetenz der Unteren Naturschutzbehörde unterliegt. Forstrechtlich habe laut Behörde kein Verstoß vorgelegen. „Die Kahlschlagfläche wurde mit GPS vermessen“, so Fröhlingsdorf. Wegen des Verdachts auf Verstöße gegen Artenschutzrecht habe man der zuständigen Naturschutzbehörde berichtet.
Am 13. Juni war Schluss mit den Fällungen – die Arbeiten waren schlicht beendet. Laut Carsten Haider seien „noch Forstmaßnahmen in weiteren Walstücken geplant“, allerdings nicht in der Region, sondern offenbar in Richtung Münsterland.
Auch Landrat Thomas Hendele hat der Velberter Naturschützer längst kontaktiert. Der Landrat erklärte schriftlich gegenüber Carsten Haider, man habe den Eigentümer der Waldfläche auf die Einhaltung des Artenschutzes hingewiesen und auch nach einer Ortsbesichtigung keine Anhaltspunkte für einen konkret zu ahnenden Verstoß gegen artenschutzrechtliche Bestimmungen feststellen können. Die Untere Naturschutzbehörde sei im Austausch mit dem dem zuständigen Regionalforstamt. Letztlich geht es darum, ob die Fällarbeiten einer „ordnungsgemäßen Forstwirtschaft“ entsprochen haben. Bei derartigen Verfahren im Nachgang sind die Bäume dann längst weg. Carsten Haiders Kritik setzt daher noch an einer anderen Stelle an – und sie ist zugleich ein Appell: „Zahllose Nester, Fledermausquartiere und Wildtier-Kinderstuben fielen der Profitgier der Waldbesitzenden zum Opfer – ohne jede Notwendigkeit“.
Die Erbengemeinschaft aus Herne ließ eine Anfrage der Redaktion unbeantwortet.