75 Jahre hat die Stahlglocke über Wülfrath geläutet. Hier schwebt sie herbei, um auf ihrem neuen Platz am Ende der Kirche abgestellt zu werden. Foto: Kling

Wülfrath. Mit einem Spezialkran sind an diesem Dienstag die Glocken der evangelischen Stadtkirche in Wülfrath ausgetauscht worden.

Der 7. November 2023 wird eingehen in die Geschichtsschreibung der Stadt, womöglich als Tag des großen Glockentauschs. Lang war er erwartet worden, mit einem Glockenfest am Wochenende hat die evanglisch-reformierte Kirchengemeinde darauf hin gefiebert.

An diesem Dienstag war der Tag endlich da. Und er begann gleich mit der wohl schwierigsten Aufgabe: „Der Kran versucht gerade, auf den Kirchplatz zu kommen“, berichtete Pfarrer Thomas Rehrmann um 8.49 Uhr in einer Nachricht. Der Wagen der Spezialfirma Hess aus Düsseldorf musste von der Fußgängerzone durch den schmalen Durchgang auf den Kirchplatz. Das war Millimeterarbeit. „An dem Wagen sind alle Teile beweglich“, staunte Manfred Hoffmann, Kirchmeister der Gemeinde und mit Architekt Rainer Gebauer und Pfarrer Thomas Rehrmann der Planer des Projekts.

Trotz aller Akribie: Es gab einen kleinen Schaden am Mauerwerk des Hauses, in dem der Akustiker Männing sein Geschäft hat.

Als der Wagen dann auf dem unteren Teil des Kirchplatzes aufgeständert stand, den Arm in Richtung Kirchturmspitze hinausschob, konnten sich die Zuschauer gar nicht vorstellen, wie das Gerät überhaupt den Weg dorthin gefunden hatte.

Was die Zuschauer unten nicht sehen konnten: Die große Stahlglocke von 1947 wurde mit einem Wagen auf Schienen aus dem Kirchturm hinaus auf das Gerüst geschoben und an den Kran eingehängt. Und plötzlich schwebte sie herbei, wurde in den Augen und den Kameras der Betrachter immer größer, vorbei am Kirchturm hin zu dem eigens gepflasterten Platz am Ende der Kirche, auf dem sie ihren Ruhesitz in den nächsten Jahrzehnten haben soll.

Die schwere Glocke wurde noch einmal gedreht, justiert, damit auch die Schrift zu lesen ist, und dann endgültig abgelassen. Es wurde gefilmt, fotografiert, die Herren Gebauer, Hoffmann und Rehrmann zu einem Foto mit Glocke gebeten, alles historische Augenblicke.

Die Fachleute der Kranfirma machten sich mittlerweile daran, die zweite Glocke aus dem Kirchturm zu holen. Die mittlerer Stahlglocke, Gussjahr 1950, wurde direkt auf einen Lkw der Firma Müllenborn abgelassen. Die hat die mittelgroße Stahlglocke „gegen eine angemessene Spende“, wie Manfred Hoffmann erklärt, erworben und will sie auf ihrem neuen Firmengelände in der Fliethe aufhängen.

Dann schon schwebte die kleine Glocke herbei, auch sie wurde auf einen Lastwagen geladen und zum Friedhof der Gemeinde gebracht, wo sie einen Platz neben der Kapelle erhält.

Wer vorher gedacht hatte, der große Glockentausch würde den ganzen Tag dauern, sah sich getäuscht. Schon hing die erste neue Glocke am Haken, der mittleren folgte die große Bronzeglocke und letztlich die kleinste der drei neuen Glocken. Um 11.15 Uhr war der eigentliche Glockentausch bereits erledigt. Geschichte sozusagen.

Die neuen Glocken aus Bronze sind etwas leichter als die alten: Die große wiegt 1.342 Kilogramm und wird in der Tonart d klingen. Die mittlere Glocke (fis) wiegt 660 Kilogramm, die kleine (a) 446 Kilogramm.

Viel schwerer als die Glocken ist aber das Holz, das nach dem Glockentausch in den Kirchturm gehoben wurde. Die vorgefertigten Balken brachten es zusammen auf 6,5 Tonnen. Aus ihnen wird in den nächsten Wochen der neue Glockenstuhl gezimmert, an dem die Bronzeglocken letztlich aufgehangen werden.

Am ersten Advent, dem Beginn des neuen Kirchenjahres, sollen sie erstmals läuten. Noch ein Datum mit historischer Bedeutung für die evangelische Kirchengemeinde.

Spenden erwünscht

„Bisher sind ca. 60.000 Euro Spenden für die Erneuerung der Kirchenglocken von vielen Spender und Spenderinnen eingegangen“, berichtet Pfarrer Thomas Rehrmann. Für Spender ab 500 Euro besteht auch jetzt noch die Möglichkeit auf einer Plakette im Glockenturm eine Erwähnung zu finden. Rehrmann: „Wir freuen uns sehr über die großzügigen, aber auch alle kleinen Spenden für die neuen Glocken und hoffen, dass wir die Hälfte der Gesamtkosten von ca. 200.000 Euro durch Spenden finanzieren können.“

Hintergründe zum Glockentausch finden Sie hier:

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